Kein Kredit bei den Banken: Senioren in der Klemme

MÜNCHEN - Für Rentner wird es immer schwieriger, sich Geld zu leihen. Entweder gibt es gar nichts oder nur zu Knebel-Auflagen. Oft bekommen alte Leute nicht mal mehr die neue Waschmaschine auf Pump
Neues Auto, Umbau, Zahnsanierung: Wer auf die 60 zugeht, sollte rechtzeitig zum Kreditendspurt ansetzen. Spätestens ab 65 werden Darlehen zum Glücksfall. Oder horrend teuer. Ab 70 ist nicht mal mehr ein Kühlschrank auf Ratenzahlung drin. Und das Thema wird immer brisanter, weil es immer mehr Senioren gibt, die auch noch immer älter werden.
Wie hart es sein kann, als rüstige Senioren plötzlich kein Geld mehr geliehen zu bekommen, hat ein Ehepaar aus Baden-Württemberg erfahren müssen. Der 70-jährige Pensionär Martin P. und seine frühverrentete Frau (64) hatten vor, ihr schuldenfreies Reiheneckhaus im Wert von etwa 170000 Euro zu verkaufen und dafür eine altengerechte Eigentumswohnung zu erwerben. Die Differenz von etwa 50000 Euro wollte sich das Paar von ihrer örtlichen Kreissparkasse leihen, bei der der Mann seit gut 40 Jahren Kunde ist. Doch das Ehepaar kassierte eine herbe Abfuhr. Begründung: zu alt für eine so große Kreditsumme, mehr als 20000 Euro seien nicht drin.
„Solche Antworten sind keine Seltenheit“, weiß Hanne Schweitzer vom Büro gegen Altersdiskriminierung in Köln, die solche Fälle sammelt. Als Anleger sind Senioren höchst willkommen bei Banken und Sparkassen, als Kreditnehmer eher unerwünscht. Darlehen für notwendige größere Anschaffungen sollten am besten bis zum 60. Lebensjahr unter Dach und Fach sein, rät die Fachfrau – sonst kann es zu spät sein oder wegen Knebel-Auflagen sehr teuer werden.
Je älter der Kunde, desto kleiner die Chance, Geld auf Pump zu bekommen, so die Erfahrungen von Guido Klumpp, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso). Ganz gleich, ob es um Immobilienkredite geht, kleine Verbraucherdarlehen, Überziehungslinien, Kreditkarten oder Ratenzahlung. Denn: Geldinstitute fürchten, Senioren könnten sterben, bevor sie ihre Schulden abbezahlt haben. Zwar kennen auch die Banken die aktuelle Lebenserwartung der Deutschen: Frauen werden danach im Schnitt 82, Männer gut 76 Jahre alt. Für Senioren um die 70 ist aber meist schon längst Schluss mit Darlehen. Da spielt es auch keine Rolle, ob sie schuldenfrei sind, eine üppige Rente beziehen oder viel Vermögen auf der hohen Kante haben.
Offiziell gibt es keine festgeschriebenen Altersgrenzen für Finanzierungsgeschäfte. Das Thema ist delikat. Ob ein Kredit gewährt wird oder nicht, sei immer eine Einzelfallentscheidung, heißt es beim Bundesverband deutscher Banken (BdB). Hinter den Kulissen gebe es aber pauschale Vorgaben für Senioren, gestaffelt nach Lebenserwartung und Pflegerisiko, wissen Verbraucherschützer wie Bagso aus der Praxis.
Dass Senioren Probleme haben, an bezahlbare Kredite zu kommen, ist bei ihnen häufig Thema. Mit Auflagen oder einem Nein zum Kreditantrag muss nicht nur rechnen, wer mit Ende 60 noch 20000 Euro für eine dringende Dachreparatur braucht. Oder sein Haus altersgerecht umbauen will.
Auch bei Verbraucherkrediten, wo es um viel weniger Geld geht, gibt es Probleme. Typisches Beispiel: Eine 76-jährige Berlinerin wollte mithilfe der Berliner Landesbank ihren Eigenanteil zum Zahnersatz aufbringen. Benötigte Summe: 2000 Euro bei einer Laufzeit von vier Monaten. Sorry, abgelehnt. Keine weitere Begründung. Auf Nachfrage erfuhr sie, dass sie zu alt sei für die Finanzierung.
In Köln wollte eine 77-jährige Rentnerin das Angebot eines alteingesessenen Fachgeschäfts in Anspruch nehmen, eine teure Bügelmaschine auf Raten zu kaufen. Doch die Bank im Hintergrund winkte ab: zu betagt für die Null-Prozent-Finanzierung.
Und ein 76-jähriger Rentner kam nur deshalb noch zu einem zinslosen Ratenkredit für eine Waschmaschine, weil seine Tochter als Käuferin einsprang, Die Eltern zahlen jetzt monatlich die Raten an sie. Und die Frau leitet das Geld dann an das Geschäft weiter.
Berrit Gräber