Kein Kleinkrieg, bitte!
AZ-Kulturchef Volker Isfort über den Streit um die Nofretete-Büste.
Am 17. Oktober, bei der feierlichen Wiedereröffnung des Neuen Museums in Berlin, schaute Bundeskanzlerin Angela Merkel der Nofretete tief in die Augen. Die 3300 Jahre alte Büste der Königin ist die Hauptattraktion der Ägyptischen Sammlung im Nordflügel des Museums. Doch es könnte sein, dass Merkel zukünftig für den Blickkontakt bis nach Kairo fahren muss. Der Leiter der ägyptischen Altertumsbehörde, Sahi Hawass hat nun bestätigt, was die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bislang verneinte: Ja, die ägyptische Regierung wird offiziell die Rückgabe der Büste beantragen. Sahi Hawass stützt sich auf angebliche neue Beweise, dass der deutsche Ausgrabungsleiter Ludwig Borchardt 1913 falsche Angaben gemacht habe, um die gefundene Büste auszuführen. Naturgemäß sehen die Berliner Museumsleiter die Eigentumsfrage für ihre „Mona Lisa der Antike“ anders. Zumal die Büste nicht Beute in einem Eroberungsfeldzug war, sondern angeblich ein Teil der Bezahlung für die von deutschen Wissenschaftlern geleisteten Grabungen.
So verständlich der Drang der Ägyptischen Altertumsverwaltung ist, die Schätze der Vergangenheit an ihren kulturellen Herkunftsort zurückzuführen, so unsinnig ist es, jetzt einen diplomatischen Kleinkrieg anzuzetteln, wenn die Rechtslage nicht eindeutig gegen das Ägyptische Museum spricht.
Denn auch in Berlin kann die Nofretete ihrer Heimat dienen: Als Botschafterin aus einer glanzvollen Zeit, deren Rätsel und Kultur auch heute noch Millionen Mitteleuropäer zu einer tieferen Beschäftigung mit Ägypten animieren.