Karstadt zahlt keine Miete mehr
Arcandor kann sich die Mieten für seine Warenhäuser nicht mehr leisten. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt Staatshilfen für Arcandor trotzdem weiterhin ab und wirft dem Konzern «erhebliches Missmanagement» vor.
Das Reise- und Handelsunternehmen Arcandor steuert auf eine Pleite zu. Ein hoher Notkredit ist beantragt. Jetzt haben die zum Konzern gehörigen Karstadt-Warenhäuser die Mietzahlungen eingestellt. Das habe das Unternehmen bei einem Krisentreffen im Wirtschaftsministerium mit Vertretern von Gläubigerbanken, Aktionären und Immobilieneigentümern eingeräumt, berichteten die «Süddeutschen Zeitung» (Samstag) und die «Bild am Sonntag» übereinstimmend.
Zu Arcandor gehört neben den Karstadt-Warenhäusern und dem Quelle-Versand auch der Reisekonzern Thomas Cook. Unterdessen hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut gegen Staatshilfen für den Konzern ausgesprochen. Zugleich warf sie der Arcandor-Führung Fehler vor: «Bei Arcandor muss man zunächst einmal die Eigentümer und die Gläubiger stärker fordern.»
Merkel will den Steuerzahler schonen
Bei Arcandor habe es «ein erhebliches Missmanagement mit äußerst ungünstigen Vertragsgestaltungen, zum Beispiel bei den Mietverträgen» gegeben, sagte Merkel der «Bild am Sonntag». «Da ist es überhaupt nicht einzusehen, warum manche in der SPD den deutschen Steuerzahler mit einem Risiko belasten wollen und nicht vielmehr an diesen Ursachen ansetzen.» Die Standorte von Karstadt seien attraktiv, so dass für viele eine Fortführung wahrscheinlich sei, wenn die Eigentümer und die Gläubiger einen Beitrag leisteten, so Merkel. «Ich empfinde es aber als Zumutung, wenn Leute nach dem Staat rufen, die selbst etwas tun müssen.»
30-tägiges Mahnverfahren
Den Berichten zufolge teilte Arcandor-Vorstandschef Karl-Gerhard Eick beim Krisentreffen im Wirtschaftsministerium mit, dass der Konzern seine Mietzahlungen eingestellt habe. Nach seiner Darstellung setze damit ein 30-tägiges Mahnverfahren ein, an dessen Ende die Vermietungsgesellschaft dazu berechtigt ist, einzelne Karstadt- Filialen zu verkaufen, um ihre Ansprüche zu befriedigen, berichtete die «Bild am Sonntag». Seit dem Verkauf seiner Warenhäuser vor zwei Jahren ist der Karstadt-Mutterkonzern an allen seinen Standorten nur noch Mieter. Eigentümer nahezu sämtlicher Häuser ist seit zwei Jahren die Immobiliengesellschaft Highstreet, an der die Investmentbank Goldmann Sachs mit 51 Prozent und die Deutsche Bank-Tochter Preef und Pirelli Real Estate mit 49 Prozent beteiligt sind.
Rechtliche Schritte gegen Karstadt angekündigt
Die Mietverträge haben eine Laufzeit von 15 Jahren. Die Mietzahlungen summieren sich auf 280 Millionen Euro. Zudem zahlt Arcandor in jedem Jahr 42,6 Millionen Euro Miete für fünf Standorte, die Eigentum eines vom Bankhaus Sal. Oppenheim aufgelegten Fonds sind. Laut «Bild am Sonntag» kündigten Highstreet-Vertreter wegen der Mietausfälle rechtliche Schritte gegen Karstadt an. Unterdessen signalisierte der Hamburger Versandhandelskonzern Otto Interesse an einzelnen Konzernteilen. Sollte es eine privatwirtschaftliche Lösung bei Arcandor geben, so wäre die Otto Group sicher Teil dieser Lösung, sagte ein Konzernsprecher der Wirtschaftszeitung «Euro am Sonntag». Otto sei insbesondere an den Sportfilialen der Karstadt-Gruppe interessiert, erfuhr das Blatt aus Konzernkreisen. Sollte es zu einer Herauslösung der Sporthäuser kommen, wäre dies eine gute Ergänzung zu den SportScheck-Filialen, hieß es.
Metro will zwei Drittel der Filialen übernehmen
Metro-Chef Eckhard Cordes will Berichten zufolge 60 der 91 Karstadt-Filialen mit der Warenhaussparte Kaufhof des Düsseldorfer Handelskonzerns verschmelzen. Zu den 27 Sporthäusern von Karstadt hatte sich Cordes noch nicht geäußert. Zudem zeige der Handels- und Touristikkonzern Rewe (Rewe, Alltours, Dertours) Interesse an Arcandors Reisetochter Thomas Cook. Insbesondere das britische Geschäft von Thomas Cook sei attraktiv, schreibt «Euro am Sonntag» unter Berufung auf Unternehmenskreise.
Notkredit über 437 Millionen Euro
Für den ins Trudeln geratenen Arcandor-Konzern mit seiner Warenhaustochter Karstadt wird die Zeit immer knapper: Dem Unternehmen, das am Freitag einen Notkredit über 437 Millionen Euro beantragt hatte, droht nach eigener Aussage die Insolvenz, wenn die überlebensnotwendige Finanzierung nicht bis zum 12. Juni steht. Zu diesem Zeitpunkt läuft ein 650-Millionen-Euro-Kredit aus. (dpa/AP/nz)