Karl Diehl: Tod mit 100

Er war Nürnbergs umstrittenster Firmen-Boss. Am Samstag ist der Rüstungsindustrielle Karl Diehl gestorben.
von  Abendzeitung
Wegen der Beschäftigung von Zwangsarbeitern war die Verleihung der Ehrenbürgerwürde umstritten: CSU-OB Ludwig Scholz ( ) und Karl Diehl.
Wegen der Beschäftigung von Zwangsarbeitern war die Verleihung der Ehrenbürgerwürde umstritten: CSU-OB Ludwig Scholz ( ) und Karl Diehl. © az

Er war Nürnbergs umstrittenster Firmen-Boss. Am Samstag ist der Rüstungsindustrielle Karl Diehl gestorben.

NÜRNBERG Das war ein Auftritt ganz nach seinem Geschmack: Gemeinsam mit Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) drückte Karl Diehl auf den roten Knopf. Trotz seiner 100 Jahre und seiner angeschlagenen Gesundheit war der Senior-Chef des Konzerns vor drei Monaten ins Werk nach Röthenbach gekommen, um die neue Fertigung zu eröffnen. Sie sichert 1200 Arbeitsplätze am Standort. Es war der letzte große Auftritt von Nürnbergs umstrittensten Firmen-Boss. Am Samstag ist Karl Diehl in den frühen Morgenstunden "sanft entschlafen", so seine Familie.

Beckstein würdigte Diehl als eine großartige Unternehmerpersönlichkeit, die ein "Musterbeispiel eines patriotischen Unternehmers gewesen ist". Nürnbergs OB Ulrich Maly (SPD) erinnerte an die bleibenden Verdienste des Ehrenbürgers. Er war ein herausragender Förderer unserer Stadt. Er hat sich insbesondere um den Wiederaufbau der zerstörten Altstadt verdient gemacht.
CSU-Fraktions-Chef Michael Frieser erklärte, dass Diehl auch in den schwierigen Zeiten des Strukturwandels Tausenden von Arbeitnehmern ihre Existenzgrundlage durch sein weitsichtiges wirtschaftliches Engagement gesichert habe.

Karl Diehl wurde am 4. Mai 1907 in der Geuderstraße 13 in Nürnberg geboren. Den Grundstein für den Konzern hatte sein Vater Heinrich mit seiner Kunstgießerei gelegt. Sohn Karl trat mit 23 Jahren in das Unternehmen ein und übernahm es nach dem Tod des Vaters 1938.
Schon vorher war er Mitglied der NSDAP geworden. Die Aufrüstung während der Nazi-Zeit machte das Unternehmen zu einem der wichtigsten deutschen Rüstungsproduzenten. Der als kriegswichtig eingestufte Betrieb produzierte millionenfach Aufschlagzünder und Patronen. Dabei wurden auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiterinnen eingesetzt.


Ein Schatten, der erst viel später auf Diehl zurückfiel: Als ihm die Stadt Nürnberg 1997 die Ehrenbürgerwürde verlieh, kamen Einzelheiten aus der Nazi-Zeit ans Licht. Dies führte zu heftigen Protesten. Diehl selbst suchte den Dialog mit überlebenden Zwangsarbeiterinnen und zahlte freiwillig Entschädigungen. Sein Sohn Werner reiste nach Israel, um sich persönlich bei ehemaligen Zwangsarbeiterinnen zu entschuldigen.

Optimismus als Unternehmensphilosophie

"Wie die meisten Unternehmer in seiner Situation handelte er pragmatisch", urteilt der Erlanger Historiker Prof. Gregor Schöllgen über Diehls Rolle in der Nazi-Zeit. Der Unternehmer selbst erklärte später, er habe Betrieb, Familie und Mitarbeiter nicht gefährden wollen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte sich Diehl in den 1950er Jahren erneut der Rüstungsproduktion zu. Der Konzern fertigte für die Bundeswehr Panzerketten, Munition und Waffensysteme. "Ein Unternehmen kann nur mit Optimismus geführt werden", lautete sein Wahlspruch.
Mit vielen Millionen förderte er den Wiederaufbau der Altstadt und gab Geld unter anderem für die Wiederherstellung des Tratzenzwingers, der Fenster im Historischen Rathaussaal (wo er mit einem großen Bankett seinen 100. Geburtstag feierte), und der Türen am Hauptportal der Lorenzkirche. Erst im vergangenen Jahr spendete er 500000 Euro für den Wiederaufbau des Pellerhauses. mir/sm

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