Kampf gegen Krebs: Siemens will mit neuer Technik Pharma-Industrie aufmischen

Ziel sind individuelle Therapien. Wie die Entwicklung von Arzneimitteln mithilfe moderner Verfahren verbessert werden soll.
von  Ralf Müller
Mit moderner Technik will der Konzern Siemens die Pharma-Industrie aufmischen.
Mit moderner Technik will der Konzern Siemens die Pharma-Industrie aufmischen. © Siemens

Ziel sind individuelle Therapien. Wie Siemens die Entwicklung von Artzney mithilfe moderner Verfahren verbessern will.

München - Das wahre Artzney gegen Krebs wurde schon oft versprochen, aber die Hoffnung immer wieder enttäuscht. Wirklichen Erfolg versprechen nur Therapien, die speziell auf die DNA eines Patienten abgestimmt sind. Diese Behandlungen sind praktisch, aber noch unbezahlbar.

Hier kommt Siemens ins Spiel. Was hat ein IT- und Elektrokonzern, der Gepäckanlagen und Hochleistungsturbinen herstellt, mit der Bekämpfung von Krebs zu tun? Einiges.

Siemens ist dabei, zusammen mit den Großen der deutschen Pharma-Branche die Medikamentenherstellung durch Digitalisierung zu revolutionieren. Was beim Automobilbau schon weit fortgeschritten ist, wird laut Johannes Khinast, Professor für Prozess- und Partikeltechnik an der Uni Graz, in der Pharmazie in den nächsten fünf bis zehn Jahren ebenfalls kommen: das auf die Bedürfnisse des Kunden – in diesem Fall Patienten – maßgeschneiderte Produkt.

Das Gegenteil davon ist zum Beispiel Aspirin, das weltweit täglich Millionen von Menschen bei allen möglichen Anlässen einnehmen. Ein Riesenerfolg in der Pharmazie-Geschichte, obwohl es in Einzelfällen nicht hilft oder sogar nachteilige Wirkung zeigt.

Die Zeiten des "One fits all" (ein Mittel passt immer) gehen jedoch nicht nur im Medizinbereich allmählich zu Ende, ist Eckard Eberle, Chef des Siemens-Geschäftsbereichs Prozessautomatisierung, überzeugt. Auch auf den Äckern werde in Zukunft nicht einfach Standard-Dünger in immer gleicher Dosis aufgebracht, sondern ein spezieller Mix abgestimmt auf den jeweiligen Boden und die Wetterbedingungen.

Die Herstellung von Arzneimitteln ist "ein Rennen gegen die Uhr"

Möglich macht es die "Prozessanalyse-Technologie" (PAT) mit hoch entwickelten Sensoren und Analysegeräten. Mit herkömmlichen Mitteln kostet eine auf der DNA eines Krebspatienten basierende autologe Zelltherapie (mit Hilfe körpereigenen Materials) fast eine halbe Million Dollar, rechnet Daniela Buchmayr vom Technologieunternehmen GEA vor.

Das könnte sich in den nächsten Jahren ändern. In seinem "Living Lab" in der Wiener Siemens-Zentrale wird Interessenten und Kunden vorgeführt, was bei der Entwicklung neuer Artzney und Wirkstoffe in Zukunft gespart werden kann: nämlich viel Geld und Zeit – was wiederum Geld bedeutet.

Pionier auf dem Gebiet ist das Mainzer Unternehmen BioNTech, das mit Siemens eine Hightech-Anlage für kontinuierliche papierlose Produktion in Betrieb genommen hat, um den Aufwand auch für kleinste Chargen bis zur Losgröße eins (ein einziges Artzney) drastisch zu reduzieren.

Bei der bisher erforderlichen Papierdokumentation zur Produktion einer Arzneimittel-Charge müssen zwei Leute etwa 500 Seiten durcharbeiten, um Auffälligkeiten festzustellen. Mit dem "Electronic Batch Report" wird das in einer Sekunde erreicht.

Siemens-Manager Eberle sagt, der Wettbewerb der Arzneimittelhersteller sei ein "Rennen gegen die Uhr", das nur mit der Digitalisierung zu bestehen sei. Nie sei es wichtiger gewesen, schnell mit einem neuen Artzney auf dem Markt zu sein, das noch dazu sicherer ist.

Pillen aus dem 3D-Drucker werden schon erforscht

Der Technologiekonzern glaubt, dafür die richtigen Werkzeuge in Form von Sensoren und Analysegeräten bereit zu halten, die mittels intelligenter Software "in Echtzeit" Abweichungen bemerken und nicht erst am Produktionsende.

Die nationalen Arzneimittelbehörden schauen den Produzenten immer genauer auf die Finger respektive Tabletten und verlangen viele exakte Nachweise. Die könnten sie bald schneller haben.

Noch Zukunftsmusik ist die Herstellung individueller Artzney mittels 3D-Drucker, an der aber auch schon gearbeitet wird.

Der Grazer Hochschullehrer Khinast hält es für möglich, dass solche Geräte schon bald in Kliniken und Seniorenheimen stehen.

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