Kampf der Doktoren
Am Mittwoch drohen die bayerischen Hausärzte, das Bollwerk Kassenärztliche Vereinigung mit einem Massen-Boykott zu schleifen. Geld, Posten und Einfluss - Worum es beim Hausärzte-Streik wirklich geht.
MÜNCHEN Die Zukunft ist düster. Eines der schlimmsten Szenarien für Axel Munte, Internist und Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), bietet sich in Baden-Württemberg: Dort sind die Hausärzte aus der Honorarabrechnung über die Kassenärztliche Vereinigung KVBW ausgeschert. Folge: Die KVBW verlor von vier Milliarden Umsatz pro Jahr fast eine Milliarde.
Auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern, die vor wenigen Jahren in einen repräsentativen Bau in der Münchner Elsenheimer Straße gezogen ist, sprudeln die Zeichen angesichts des Sparzwangs im Gesundheitssystem nicht mehr so üppig wie früher. 300 Mitarbeiter musste Munte (Vergütung für den Vorstandsvorsitz 2006: 230000 Euro) im vergangenen Jahr mit Aufhebungsverträgen verabschieden, Regionalbüros wurden geschlossen. 1500 Beschäftigte arbeiten zurzeit unter Munte, aber wie lange noch? Am Mittwoch drohen die bayerischen Hausärzte, das Bollwerk KVB mit einem Massen-Boykott zu schleifen. Der Hausärzteverband ruft dazu auf, die Kassenzulassungen zurückzugeben – mit unabsehbaren Folgen für die Patienten und die Mediziner.
Muntes ärgster Widersacher: Wolfgang Hoppenthaller, Allgemeinarzt in Siegenburg, Chef des Hausärzteverbandes. Hoppenthaller äugte lange nach Muntes Job bei der KVB – doch 2004 unterlag er auf der Vertreterversammlung der Ärzte knapp seinem Rivalen.
Darauf folgte ein hartes Gerangel um den Vorstandschefposten. Kuriose Lösungen wie eine jährliche, eine vierteljährliche oder gar monatliche Rotation zwischen dem Vertreter der Fachärzte und dem der Hausärzte auf dem Chefposten der KVB standen im Raum. Weil das Getöse gar kein Ende nehmen wollte, sah sich sogar Bayerns Sozialministerin Christa Stewens genötigt, vermittelnd einzugreifen.
Mittlerweile hat Wolfgang Hoppenthaller eine neue Mission: Er will eigene Verträge der Krankenkassen mit seinen Hausärzten. Schon einmal setzte er den Kassen mit einer Boykottaktion das Messer auf die Brust: im Juni 2006, als er rund 3000 bayerische Ärzte dazu brachte, ihre Teilnahme an den Chroniker-Programmen der Kassen zu kündigen. Diesmal geht Hoppenthaller aufs Ganze, will den kompletten Ausstieg aus dem System.
Viele Ärzte verfolgen Hoppenthallers Kampf mit Wohlwollen. Besonders Allgemeinmediziner fühlen sich seit Jahren gegenüber den Fachärzten benachteiligt. Und für einen Teil der Ärzteschaft sind die Kassenärztlichen Vereinigungen sowieso ein fortwährendes Milliardengrab, das sie lieber heute als morgen zuschütten würden.
Und Axel Munte? Der verweist auf die Leistungen der KVB – und erinnert die Hausärzte daran, dass sie bei einem Boykott schneller ersetzbar wären, als ihnen lieb sein kann: „Husten, Schnupfen, Heiserkeit kann anstelle des Hausarztes genauso gut der HNO-Arzt behandeln.“
Susanne Stephan
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