Kalkulierte Angst

Der AZ-Chefredakteur Arno Makowsky über die aktuelle Angst vor Terror-Anschlägen.
Überall im Land werden in diesen Tagen die Weihnachtsmärkte eröffnet, doch selbst eingefleischten Glühweinfreunden ist beim ersten Bummel etwas mulmig zumute. Der Kerl da hinten mit dem Rucksack – könnte das ein Terrorist sein? Was steckt in dieser herrenlosen Plastiktüte neben der Mülltonne? Ob man will, oder nicht: Nach den Terror-Warnungen des Innenministers, nach den beunruhigenden Berichten über Bombenfunde ist jeder Deutsche in Alarmbereitschaft. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, zum Opfer eines Anschlags zu werden, außerordentlich gering ist.
Die latente Angst kalkuliert Thomas de Maizière natürlich ein. Erhöhte Aufmerksamkeit der Bürger gehört zu seiner Strategie. Im Grunde bleibt ihm auch nichts anderes übrig. Wenn es eine neue Gefahrenlage gibt, müssen die Menschen darüber informiert werden. Vorwürfe, beispielsweise von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, die Warnungen seien zu „unkonkret“ und schürten nur die Angst, sind unverständlich. Soll der Innenminister seine Erkenntnisse verschweigen und ohne Erklärung die Polizeipräsenz an den Bahnhöfen erhöhen? Das wäre absurd.
Genauso falsch ist es aber, die Bedrohung hochzuspielen und zu benutzen, um reflexhaft schärfere Gesetze zu fordern. Panikmache ist jetzt genau das Falsche. Das gilt für Politiker und Polizisten. Und es gilt auch für die Bürger. Wer gern über den Weihnachtsmarkt spaziert, sollte das auch weiterhin tun.