Kahlschlag in der Hofmannstraße

MÜNCHEN - Die nächste Hiobsbotschaft aus dem krisengeschüttelten Siemens- Konzern: In der Telefonanlagensparte SEN sollen bundesweit tausende Stellen wegfallen – und fast 600 davon am Hauptstandort München. Außerdem soll die Sparte verkauft werden. Droht dem Münchner Konzern jetzt ein ein „zweites Benq“?
Schon wieder ein Siemens- Schock: Der Elektrokonzern plant einen massiven Stellenabbau bei seiner Tochter Siemens Enterprise Networks (SEN). Das Unternehmen will sich nach internen Konzepten von etwa der Hälfte seiner 6200 Mitarbeiter in Deutschland trennen. Der große Kahlschlag in München. Besonders hart soll es den Standort Hofmannstraße in Sendling treffen.
Etwa ein Drittel der rund 1700 Stellen soll dort wegfallen. Nach Informationen der AZ soll zudem der Standort Leipzig komplett geschlossen werden. Auch im Ausland dürften Stellen wegfallen. So wird wohl der Standort Brasilien künftig aufgegeben. „Im Zuge des technologischen Wandels werden weniger Fertigungsstandorte benötigt“, so ein Siemens- Manager zur AZ. Offiziell wollte Siemens die Zahlen nicht kommentieren. Nach dem Verkauf der Netzwerktechnologie an Nokia, verbunden mit massiven Entlassungen sowie dem Desaster mit der Mobilfunksparte BenQ, geht nun bei der Siemens- Belegschaft die große Angst um: „Wer ist der nächste auf der Streichliste?“ fragen sich zahlreiche Mitarbeiter.
Die Antwort gibt es womöglich schon am Dienstag. Dann will das Unternehmen Details seiner Pläne bekanntgeben. „Es ist noch zu früh, zu sagen, welche Standorte in welchem Umfang vom Stellenabbau betroffen sein werden. Das ist Teil der derzeit stattfindenden Verhandlungen“, heißt es aus Konzernkreisen. Was ist Siemens Enterprise Networks? SEN ist das letzte Überbleibsel des einst umsatzstärksten Kerngeschäfts Telekommunikation.
Die frühere Sparte „Com“ steht im Brennpunkt
Firmengründer Werner von Siemens hatte damit das Unternehmen groß gemacht. Die frühere Sparte „Com“ steht im Brennpunkt des Korruptionsskandals. Schon Löschers Vorgänger Klaus Kleinfeld wollte den Bereich loswerden, war aber nach dem mißratenen BenQVerkauf damit gescheitert. Welche Probleme hat die Sparte? SEN hat in den vergangenen Jahren wichtige Trends verschlafen. So stellt der Bereich vor allem herkömmliche Telefonanlagen für Unternehmen her. Seit einigen Jahren sind am Markt aber zunehmed Telefonverbindungen über Internet und Datenleitungen gefragt. Darauf hat sich Siemens zu spät eingestellt. „Um von der Konkurrenz nicht völlig abgehängt zu werden, benötigt Siemens künftig mehr Softwarespezialisten als Elektroniker und Produktionskräfte“, so ein Firmeninsider.
Zudem kämpft Siemens im Vergleich zu Wettbewerbern wie Cisco und Nortel mit deutlich höheren Kosten.Während SEN-Mitarbeiter im Schnitt 80 000 Euro im Jahr verdienen, sind in der Branche 60 000 Euro üblich. An wen könnte der Bereich verkauft werden? „Wir sind in sehr aussichtsreichen Gesprächen mit mehreren Partnern“, sagte Konzernchef Peter Löscher dem Nachrichtensender Bloomberg TV. Die Verhandlungen seien weit fortgeschritten.
Nach AZ-Informationen hat der amerikanische Privtainvestor „Cerberus“ – der Name steht für „Höllenhund“ – die besten Karten. Im Rennen sind aber auch die Konkurrenten Nortel und Alcatel- Lucent Bis zum Sommer muss Siemens eine Lösung finden, sonst muss die verlustreiche Sparte wieder in der Bilanz geführt werden. Das Zittern geht weiter. Auch in der Siemens-Verwaltung dürfte ein Stellenabbau bevorstehen. In dem Fernsehinterview bekräftigte Löscher, dass in den Verwaltungs- und Vertriebsabteilungen Stellen wegfallen könnten. Der Konzern hatte angekündigt, die Verwaltungskosten um zehn bis 20 Prozent zu senken.
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