Jetzt geht es los: Steuersünder in Panik
MÜNCHEN - Die Datenklau-Affäre weitet sich aus: Kunden der „Credit Suisse“ sollen den deutschen Fiskus um über 200 Millionen Euro geprellt haben. Bayerns Behörden erhalten bereits erste Selbstanzeigen.
Die Affäre um deutsche Steuersünder in der Schweiz nimmt historische Dimensionen an: „Gut informierte Behördenkreise“ rechnen laut „SZ“ damit, „einem der größten Komplexe von Steuerhinterziehung durch Deutsche überhaupt“ auf der Spur zu sein. Zugleich gab die Politik den Steuerbehörden grünes Licht für den Kauf der CD mit geklauten Bankdaten von bis zu 1500 Deutschen. Für die brisanten Informationen fordert der anonyme Dieb 2,5 Millionen Euro. Viele Steuersünder reagieren derweil panisch: Laut AZ-Informationen sind auch bei Bayerns Steuerbehörden bereits die ersten Selbstanzeigen eingetrudelt.
Um wie viel Geld und welche Konten handelt es sich? Der deutsche Fiskus sei offenbar um mehr als 200 Millionen Euro geprellt worden, sagte „SZ“-Journalist Hans Leyendecker in der „ARD“. Bislang hatten Experten mit Nachzahlungen von bis zu 100 Millionen Euro gerechnet. Bei den Steuersündern, deren dokumentierte Kontobewegungen angeblich bis 2008 reichen, soll es sich um deutsche Kunden der Schweizer Großbank „Credit Suisse“ handeln. Aus internen Dokumenten folgert das Blatt, dass die Bank „historisch bedingt“ überwiegend Kunden betreut habe, die ihr Vermögen „ganz oder teilweise nicht versteuert hätten“. Erst seit etwa sechs Jahren umwerbe die „CS“ verstärkt steuerehrliche Kunden.
Was sagt „Credit Suisse“ dazu? Die 1856 gegründete Schweizer Großbank mit Sitz in Zürich, die weltweit 48000 Mitarbeiter beschäftigt, weiß angeblich nichts über bei ihr gestohlene Daten deutscher Kunden. „Wir haben keinerlei Indizien, die darauf hinweisen würden“, sagte Vizepräsident Urs Rohner. Ganz ausschließen könne er einen Diebstahl aber auch nicht.
Wann geht’s den ersten Steuersündern an den Kragen? Bundesfinanzminister Schäuble geht davon aus, dass die Daten „in Kürze zur Verfügung“ stünden. Die rechtlichen Prüfungen hätten ergeben, dass sich Amtsträger bei einem Kauf der Schweizer Daten nicht strafbar machten, sagte NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU). Bund und Länder würden sich die Kosten für den Ankauf der geklauten Daten teilen. Die Ermittlungen übernimmt dem Vernehmen nach die Staatsanwaltschaft Wuppertal, der die CD auch zum Kauf angeboten worden war. Laut „Handelsblatt“ hat die juristische Prüfung ergeben, dass sich Steuerfahnder sogar der Strafvereitelung im Amt schuldig machen könnten, wenn sie das Angebot einfach ausschlagen würden.
Herrscht jetzt Eiszeit zwischen Bern und Berlin? Während Schäuble lakonisch erklärte, „keine Eiszeit“ zwischen Deutschland und der Schweiz zu erwarten, goss SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider neues Öl ins Feuer: Die Schweiz habe jahrzehntelang davon gelebt, „die großen Nachbarländer auszusaugen“. Mit diesem „asozialen“ Verhalten habe sie das moralische Recht verwirkt, sich jetzt über den Datenkauf aufzuregen.
Widerspricht der CD-Kauf dem Datenschutz? Deutschlands oberstem Verbraucherschützer ist bei dem Datenkauf „mulmig“ zumute: „Ich habe Sorge, dass hier ein Dammbruch geschieht und sich auch an anderer Stelle Leute melden und sagen, sie haben interessante Daten“, sagte Gerd Billen. Während Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) noch von einer „politisch wie rechtlich hochkomplexen Angelegenheit“ spricht, hat ein Dresdner Rechtsanwalt Strafanzeige gegen Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel erstattet. Es bestehe der Verdacht der Anstiftung zu Straftaten – insbesondere Hehlerei, Begünstigung und Ausspähen von Daten.jox/bö