Jetzt erst recht!

AZ-Redakteur Volker ter Haseborg über die Notwendigkeit des Demjanjuk-Prozesses
von  Abendzeitung

AZ-Redakteur Volker ter Haseborg über die Notwendigkeit des Demjanjuk-Prozesses

Der erste Verhandlungstag im Demjanjuk-Prozess war kein guter. Zuerst blamiert sich die Münchner Justiz bei der Organisation des Prozesses. Und dann sieht der Anwalt von John Demjanjuk seinen Mandanten „auf einer Stufe“ mit den von den Nazis verfolgten Juden. Und er fordert einen Freispruch, weil die deutsche Justiz in den Nachkriegsjahren viele SS-Männer laufen ließ.

Seine Argumente sind nicht nur ein Schlag ins Gesicht für viele Holocaust-Überlebende und ihre Hinterbliebenen. Sie demaskieren auch ein bedenkliches Verständnis vom deutschen Rechtsstaat: Soll ein Schlussstrich unter die Verbrechen der NS-Diktatur gezogen werden – nur weil die deutsche Nachkriegsjustiz versagt hat?

Wir brauchen diesen Prozess – jetzt erst recht! Es geht darum, die Schuld von Demjanjuk festzustellen. Auch, wenn der 89-Jährige nach einem Urteil kaum haftfähig ist und vom deutschen Staat bis ans Ende seiner Tage versorgt werden muss. Wenn die Beweise der Staatsanwaltschaft stimmen, dann hat Demjanjuk Unrecht getan. Mord verjährt in Deutschland nicht – und gerade deshalb ist der Prozess gegen diesen alten Mann gerechtfertigt.

Dieser Prozess ist für die Holocaust-Überlebenden wichtig. Nicht weil Rachegelüste befriedigt werden sollen. Sondern weil sie ein Recht auf Gerechtigkeit haben. Das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat kann durch diesen Prozess neu gestärkt werden. Auch wenn Demjanjuk am Ende nicht ins Gefängnis kommt oder das Ende des Prozesses gar nicht mehr miterlebt: Wahrheit verjährt nicht.

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