Israel hofft auf einen Islamisten

Immer mehr Tote und Verletzte in Gaza. Ägyptens Präsident Mursi hat eine Schlüsselrolle.
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Immer mehr Tote und Verletzte in Gaza. Ägyptens Mohammed Mursi hat eine Schlüsselrolle

Tel Aviv - Tag sechs der Eskalation im Konflikt zwischen der Hamas und Israel: Bis gestern sind 94 Palästinenser und drei Israelis getötet worden, es gibt über 700 Verletzte. In der Nacht zum Montag hatte die israelische Armee etwa 80 Einrichtungen im Gaza-Streifen angegriffen. Gleichzeitig gehen die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen weiter.

Die israelische Luftwaffe bombardierte am Montag zwei Fahrzeuge in der Stadt Gaza. Dabei wurden mindestens vier Menschen getötet. Auch im Süden des Gazastreifens starben nach Angaben von Sanitätern mindestens zwei Menschen bei Bombardements. Augenzeugen in Gaza berichteten von gezielten Angriffen auf Häuser militanter Palästinenser. Die israelische Armee bestätigte, es seien Gebäude von Hamas-Mitgliedern beschossen worden, „die als Kommandoposten und Waffenlager benutzt werden“. Seit Beginn des Einsatzes seien 1350 Ziele im Gazastreifen bombardiert worden.

In der israelischen Küstenstadt Aschkelon schlug am Montag eine Rakete aus dem Gazastreifen in einer leerstehenden Schule ein. Seit Mittwoch haben militante Palästinenser mehr als 1000 Raketen auf Israel abgefeuert. Ungefähr jedes dritte Geschoss wird vom israelischen Abwehrsystem „Iron Dome“ (Eisenkuppel) abgefangen.

Und immer noch steht die Ankündigung Israels im Raum, im schlimmsten Fall Bodentruppen in den Gaza-Streifen zu schicken – damit wäre eine weit höhere Zahl von Toten auf beiden Seiten programmiert.

„Niemand in der israelischen Politik will das wirklich“, urteilt der Politologe David Witzthum, einer der bekanntesten israelischen Fernsehmoderatoren. „Hätte Netanjahu in Gaza einmarschieren wollen, hätte er das längst schon getan.“ Momentan versuche Israel, die Infrastruktur der Hamas zu beschädigen, rassle mit den Säbeln und setze gleichzeitig auf Verhandlungen. Die Situation könne aber eskalieren, sobald eine Schule, eine Synagoge oder ein Krankenhaus von einer Rakete getroffen werde. Bis zu 75 000 Israelis müssen momentan für diesen Fall mit einer Einberufung rechnen.

Alle Hoffnungen ruhen jetzt auf den Waffenstillstands-Gesprächen in Kairo. Verhandlungen, wenn auch inoffizielle, zwischen Hamas und Israel gab es schon in den vergangenen Monaten – und sei es nur über Fragen der Grenzöffnung. Die aktuellen Gespräche sind allerdings von einer neuen Qualität: Keine Unterhändler, die sich diskret treffen, sondern höchstoffizielle Treffen, international begleitet: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon flog nach Kairo zu Ägyptens Staatsoberhaupt Mohammed Mursi, Frankreichs Außenminister Laurent Fabius und sein deutscher Amtskollege Guido Westerwelle schalteten sich in die Gespräche ein. Westerwelle wollte gestern in Tel Aviv zunächst seinen israelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman treffen. Für heute waren Gespräche mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geplant.

Die Waffenstillstand-Verhandlungen in Ägypten könnten für das künftige Machtgefüge im Mittleren Osten prägend sein, urteilt David Witzthum. „Die Hamas wollte mit ihrem verstärkten Beschuss Israels Agypten dazu zwingen, sich deutlich auf ihre Seite zu schlagen.“ Vordergründig sei dieses Kalkül aufgegangen – Mursi übte sich in islamischer Solidaritäts-Rhetorik. Hinter den Kulissen, berichtet Witzthum, rege sich allerdings Unmut über die Hamas. „Die Ägypter haben genug Probleme mit extremen Gruppen wie den Salafisten und Al-Kaida und wollen nicht noch eine Front gegen Israel aufmachen.“ Stelle es Mursi geschickt an, könne er sich mit einer dauerhaften Waffenruhe als islamischer Meinungsführer im Nahen Osten etablieren – und als zwar ungeliebter, aber ernstzunehmender Ansprechpartner Israels. sun

 

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