Irgendwie, irgendwann - am BER wird länger saniert als gebaut

Es war eine internationale Blamage für Deutschland: Vor fünf Jahren platzte der Start des neuen Hauptstadtflughafens. Und noch immer ist er nicht am Netz. Doch einmal muss die Dauerkrise ein Ende haben.
Christina Peters, Burkhard Fraune/dpa |
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Zuvor hatte ein Gutachten Zweifel an einem Start des drittgrößten deutschen Flughafens 2018 geweckt.
Ralf Hirschberger/dpa Zuvor hatte ein Gutachten Zweifel an einem Start des drittgrößten deutschen Flughafens 2018 geweckt.

Es war eine internationale Blamage für Deutschland: Vor fünf Jahren platzte der Start des neuen Hauptstadtflughafens. Und noch immer ist er nicht am Netz. Doch einmal muss die Dauerkrise ein Ende haben.

Tel Aviv, Lissabon, Abu Dhabi: In der Haupthalle des neuen Hauptstadtflughafens scheint die Welt einen Katzensprung entfernt. Engelbert Lütke Daldrup - bald seit 100 Tagen Flughafenchef - steht auf dem glänzenden Natursteinboden und sagt einen dieser Sätze, die typisch sind für die Dauerbaustelle: "Wir haben da oben die Anzeigetafel, die ist noch nicht in Betrieb, aber betriebsfähig, und manchmal läuft sie auch schon."

Dieses "manchmal" muss vorerst reichen. Denn neben dem Check-in lagert Baumaterial, Scheiben sind abgeklebt, Bauzäune versperren die Sicherheitsschleuse - der BER ist noch immer nicht fertig. Fünf Jahre ist es her, seit die Eröffnung des Flughafens platzte - keine vier Wochen vor dem geplanten Termin am 3. Juni 2012.

Wie oft wurde die Eröffnung eigentlich schon abgesagt?
Man hat sich an die kleinlauten Eingeständnisse gewöhnt: "Wir haben uns fünf Mal schwer vertan", sagt Lütke Daldrup. Eigentlich sollte der drittgrößte Flughafen Deutschlands sogar schon im Herbst 2011 in Betrieb gehen. Inzwischen dauert die Sanierung länger als die eigentliche Bauphase, die 2006 begann.

Was haben die Verantwortlichen in den fünf Jahren getan?
Zunächst: das Chaos vergrößert. Architekten flogen raus, neue Manager kamen, den Moloch zu zähmen. Gemein war ihnen ihr großes Ego, die Rezepte unterschieden sich: Mal sollte es gründlich gehen, mal husch, husch. Hahnenkämpfe wie zwischen den Managern Horst Amann und Hartmut Mehdorn ließen die Baustelle zur Nebensache werden. Die Politik machte Druck, Köpfe rollten, Stückwerk blieb. Und Pech: die Pleite des Ausrüsters Imtech und ein Technikchef, der sich schmieren ließ.

"Wir haben zwischen 2012 und 2014 zwei Jahre sinnlos vertan", bekannte Berlins Senats-Chef Michael Müller (SPD) erst lange, nachdem er seinen Vorgänger und Parteifreund Klaus Wowereit abgelöst hatte. Inzwischen gibt es aber auch große Fortschritte: Sämtliche Umbauten sind genehmigt, und es gibt einen halbwegs klaren Überblick, was noch zu tun ist.

Bis zuletzt wurden aber auch Dinge verschlafen, etwa dass ein Teil der Sprinkler nicht genug Wasserdruck hat und dass sich 1000 Türen nicht richtig steuern lassen - weshalb auch der Start 2017 kippte. Künftige Erweiterungen soll es nun mit einfachen, aber beherrschbaren Zweckbauten geben, verkündet das Unternehmen nun.

Warum ist die Baustelle so schwer in den Griff zu bekommen?
Vieles folgt aus alten Fehlern: gigantischen Umplanungen nach Baubeginn, dem Verzicht auf einen Generalunternehmer, zu knapp berechneten Eröffnungsterminen. Und: Die Baufirmen verdienen gut daran, dass der Flughafen nicht fertig wird. Sie werden seit 2012 auf Stundenbasis angefordert. "Das System kann ich nicht mehr fundamental ändern", bekennt der Flughafenchef - denn die Firmen sitzen am längeren Hebel.

Er will dennoch erreichen, dass sich die größten fünf schriftlich auf einen Terminplan festlegen: Bosch, T-Systems, Siemens, Caverion und ROM Technik. "Auch sie haben glaube ich ein Interesse, dass ihr Name nicht mehr mit diesem Projekt verbunden wird", meint Lütke Daldrup.

Wird der BER jemals in Betrieb gehen?
Davon ist auszugehen, zumal der manchmal geforderte Neubau an anderer Stelle illusorisch ist. Schon Standortsuche, Planung und Genehmigung könnten gut und gerne 15 Jahre verschlingen - zu lange für den stark wachsenden Berliner Luftverkehr. Zudem: Die wesentlichen Probleme am BER scheinen aus dem Weg geräumt, auch wenn solche Feststellungen bei dem Projekt mit Skepsis zu betrachten sind.

Die Frage ist die nach dem Wann. 2018 ist das Ziel. Aber Fachleute des Flughafens haben zwei Dutzend Bereiche benannt, in denen Risiken schlummern könnten. Ein Gutachten nährt Zweifel an 2018.

Warum lässt man nicht einfach den Flughafen in Tegel offen?
Der Flughafen platzt aus allen Nähten. Außerdem verlassen sich die Anwohner seit 20 Jahren darauf, dass dort nach dem BER-Start Schluss ist. Es ist umstritten, ob es überhaupt rechtlich möglich wäre, Tegel parallel zum neuen Flughafen offen zu halten. In jedem Fall wäre das Klagerisiko hoch.

Gleichwohl hat die Berliner FDP erreicht, dass es am Tag der Bundestagswahl einen Volksentscheid über Tegel gibt. Wenn eine Mehrheit es will, müsste sich der Senat gegen seinen erklärten Willen dafür einsetzen, dass Tegel offen bleibt. Allerdings: Brandenburg und der Bund haben schon klar gemacht, dass sie da nicht mitziehen.

Wie viel kostet das BER-Desaster?
Seit Baubeginn ist der Kostenrahmen von 2 auf 6,5 Milliarden Euro gewachsen - ohne Ausgaben für die Verkehrsanbindung und größtenteils ohne Zinsen. Davon haben 2,7 Milliarden Euro die Eigentümer gegeben, Berlin, Brandenburg und der Bund. Weitere 1,1 Milliarden Euro gewährten sie als Darlehen, bürgten zudem für die Bankkredite.

Zum Kostenanstieg trugen auch Erweiterungen des Projekts bei. Heute versichert das Management, bis 2020 mit dem Geld auszukommen - auch weil es an den Bestandsflughäfen brummt. Der leere Flughafen verschlingt unterdessen monatlich 17 Millionen Euro Betriebskosten, zudem fehlen eingeplante Mieteinnahmen von 13 bis 14 Millionen Euro.

Musste irgendjemand für dieses Debakel haften?
Nein. Gefeuerte Geschäftsführer erhielten Abfindungen. Politische Karrieren bekamen Knicke oder sie endeten, etwa bei Wowereit. Aber Wowereit und der langjährige Brandenburger Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatten sich für ihre Aufsichtsratsarbeit rechtzeitig entlasten lassen. Oppositionsforderungen, ihre Haftbarkeit neu zu prüfen, perlten bislang an den SPD-geführten Landesregierungen ab.

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