Inflation durch Klimawandel – was die EZB dagegen tun kann

Frankfurt/Main - Russlands Gas-Lieferstopp 2022 hat Deutschland seine wirtschaftliche Abhängigkeit von fossilen Energien schmerzlich vor Augen geführt. Das Problem: Fossile Energieträger sind nicht nur umweltschädlich, sondern auch endlich. Werden sie knapper, werden sie teurer. Aber auch durch Stürme zerstörte Ernten oder überschwemmte Straßen verringern das Warenangebot und können die Preise nach oben drücken.
Die Europäische Zentralbank (EZB) ist dazu da, eine solche Teuerung zu verhindern. Dementsprechend fällt ihr auch die Aufgabe zu, ihren Teil zum "Kampf gegen den Klimawandel beizutragen", heißt es von der EZB. Was leistet Europas Zentralbank bereits dafür? Und wo muss sie noch nachbessern?
EZB lässt Anleihen mit geringer Klimaleistung auslaufen
Auf Anfrage der AZ verweist die EZB darauf, dass im Jahr 2022 mehrere Maßnahmen beschlossen wurden, um gegen den Klimawandel vorzugehen. Als ersten Schritt erhöhte die Europäische Zentralbank Schritt für Schritt den Anteil an grünen Unternehmensanleihen. Das heißt, Anleihen von Konzernen mit einer geringen Klimaleistung laufen aus, von Firmen mit einer hohen werden Anleihen hingegen hinzugekauft. Die Klimaleistung wird etwa anhand von niedrigeren Treibhausgasemissionen und ehrgeizigeren Zielen für die CO₂-Reduktion gemessen.
Zudem soll vor Ende des Jahres ein neuer Sicherheitenrahmen folgen. Das heißt, die EZB will die von Unternehmen als Sicherheiten ausgegebenen Vermögenswerte mit einem hohen CO₂-Fußabdruck begrenzen. Der Ökonom Michael Peters von der Bürgerbewegung Finanzwende, die sich für faire und nachhaltige Finanzmärkte engagiert, erklärt das Prinzip der AZ folgendermaßen: Wenn zum Beispiel die Postbank München dringend zehn Millionen Euro von der EZB braucht, muss sie nicht gleich Vermögenswerte – etwa Staatsanleihen – verkaufen, sondern kann stattdessen Sicherheiten in Höhe von 10,15 Millionen Euro, hinterlegen und bekommt dann einen kurzfristigen Kredit gewährt.
Kennzeichnung der Unternehmen
Was als Sicherheit genutzt werden kann und was nicht, ist streng festgelegt - der von Vermögenswerten finanzierte CO₂-Ausstoß soll künftig als weiteres Kriterium berücksichtigt werden. Das heißt laut Peters: Wer etwa eine Shell-Anleihe als Sicherheit hinterlegen möchte, kann das künftig nicht mehr tun oder muss mit einem deutlich höheren Abschlag (haircut) rechnen. Sind die Anleihen insgesamt 100 Millionen Euro wert, würde bei einem Abschlag von zehn Prozent nur ein Kredit von 90 Millionen gewährt werden.
Und auch das Risikomanagement will die EZB bis Ende des Jahres verbessern, indem Ratingagenturen, die die Kreditwürdigkeit von Unternehmen bewerten, dazu aufgefordert werden, Klimarisiken bei ihrer Beurteilung transparenter miteinfließen zu lassen. Das heißt im Klartext: Für Anleger wird gekennzeichnet, wie sehr ein Unternehmen von Folgen des Klimawandels betroffen wäre.
Ökonom: "Die EZB hat einige Hebel, aber tut bisher viel zu wenig"
Doch mit diesen Maßnahmen seien die Möglichkeiten der EZB, gegen den Klimawandel vorzugehen, noch lange nicht erschöpft, mahnen Kritiker. Zu diesen gehört auch Ökonom Peters: "Die EZB hat einige Hebel, aber tut bisher viel zu wenig." Er fordert deshalb Anreize für die Kreditvergabe mittels eines Sonderzinses für grüne Investitionen, wie es schon die japanische Zentralbank vorgemacht hat. "Wenn eine Bank sich Geld leiht, um damit Windkraftwerke zu finanzieren, dann bekommt sie etwa für einen bestimmten Zeitraum einen Zins von zwei Prozent und nicht von 3,4 Prozent", erklärt Peters.
Dieses Prinzip wäre für die EZB keineswegs Neuland. Schon während der Corona-Pandemie habe sie Banken mit einem Sonderzins beschenkt und nur den Anreiz gesetzt, die Kreditvergabe konstant zu halten, sagt der Finanzexperte. Weil der Leitzins damals schon bei null Prozent lag, gab es stattdessen für die Banken Geld oben drauf, wenn sie sich welches von der EZB liehen.
Ist der Sonderzins eine Möglichkeit?
Über vergünstigte grüne Kredite in der Zukunft denkt die EZB bereits nach, wie aus einer Rede Anfang 2023 von Isabel Schnabel hervorgeht, die zum Direktorium der EZB gehört. Allerdings sei eine solche Maßnahme nicht vorstellbar, solange die Zentralbank darauf abzielt, im Kampf gegen die Inflation die vorhandene Geldmenge zu verringern.
Laut Peters ist gerade bei solch einer restriktiven Geldpolitik ein Sonderzins denkbar. "Die aktuelle Inflation wurde vor allem durch teure fossile Energien getrieben. Ein Sonderzins, zum Beispiel für die Finanzierung von Erneuerbaren, bremst langfristig die fossile Inflation."
Grüne Geldpolitik ist mit EZB-Mandat vereinbar
Die Zentralbank von Bangladesch geht laut Marie Theres von Schickfus vom Münchner ifo-Institut sogar soweit, auf eine grüne Kreditvergabequote zu setzen. Das heißt, sie verlangt von Geschäftsbanken, dass ein bestimmter Anteil an Krediten grünen Zwecken zugutekommt. "Direkte Vorgaben sollten nicht Sache der Zentralbank sein", sagt sie der AZ.
Aber wie weit darf die EZB überhaupt gehen? Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo-Instituts, schreibt dazu in der "FAZ": "Eine um Popularität bemühte Geldpolitik, welche die Grenzen ihres Mandats nicht ernst nimmt, untergräbt auf Dauer ihre Unabhängigkeit." Finanzwende-Ökonom Peters hält dem entgegen, dass die Marktneutralität sowieso nicht gegeben sei: "Die EZB kauft nur Anleihen von Großunternehmen und die produzieren mehr CO₂ als der Rest der Wirtschaft."
So wären Klimarisiken sofort im System
Ökonomin Schickfus sagt dazu: "Die bestehende Verzerrung wäre kein Problem, wenn es einen glaubwürdigen CO₂-Preis gäbe." Durch diesen wären alle Klimarisiken sofort im System eingepreist und die Geldpolitik müsste sich darum nicht kümmern.
Sie sieht in den Maßnahmen der EZB für deren Mandat kein Problem, insofern sie dem "de-browning" dienten und so mögliche Transitionsrisiken minderten. Anders als China, wo grüne Anleihen als Sicherheiten im direkten Vergleich bevorzugt werden, scheine die EZB sich darauf zu fokussieren, insgesamt weniger CO₂-intensive Vermögenswerte anzunehmen.
Folge: ein instabiler Finanzmarkt
Zu diesen zählen etwa Gaskraftwerke oder Ölraffinerien, die laut Peters irgendwann "massiv abgeschrieben" werden müssten. Die Folge wären hohe Verluste und ein instabiler Finanzmarkt. Und dann wäre da noch das sekundäre Mandat der EZB, die wirtschaftlichen Ziele der EU zu unterstützen. In denen sei ein grüner Umbau der Wirtschaft klar festgelegt.
Die EZB wird grüne Geldpolitik in Zukunft vermehrt betreiben müssen, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. Denn nur so beugt sie der Inflation vor, anstelle lediglich zu reagieren, wenn die Preise ohnehin schon nach oben geschnellt sind.