In der Solar-Branche geht das Licht aus

Mit Milliarden aus der Kasse der Stromkunden wurden die Anbieter von Sonnenenergie gepäppelt. Über den Subventionen vergaßen sie die Forschung.
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Ein PR-Coup: Larry Hagman († 2011) machte im Sommer 2010 noch Werbung für Solarworld. Jetzt kämpft das Unternehmen ums Überleben.
Hersteller Ein PR-Coup: Larry Hagman († 2011) machte im Sommer 2010 noch Werbung für Solarworld. Jetzt kämpft das Unternehmen ums Überleben.

 München - Keiner strahlte schöner als er: Dallas-Fiesling J.R Ewing alias Larry Hagman machte im Sommer 2010 noch TV-Werbung für „Solarworld“. Im November 2012 starb der Hollywood-Star an Krebs. Jetzt kämpft sein ehemaliger Auftraggeber ums wirtschaftliche Überleben. Der einstige Börsenstar Conergy hat Insolvenz angemeldet, auch die Gehrlicher Solar bei München hat es erwischt. In der einstigen Vorzeigebranche reiht sich Pleite an Pleite. Droht der deutschen Solarindustrie das Aus?

Sonnenstrom war das Wunschkind von Rot-Grün. Eine neue Branche sollte hochgepäppelt werden. Schon unter der Regierung Kohl gab es Einspeisungsvergütungen, 2000 kam unter Rot-Grün die EEG-Umlage. Seitdem bezahlen die Verbraucher die Subventionen für den Solarstrom. Von 2000 bis 2012 flossen 31 Milliarden an die Betreiber von Photovoltaik-Anlagen. Jeder Steuerzahler hat also den Solarstrom schon mit knapp 1000 Euro subventioniert. Es wird noch viel mehr: 108 Milliarden bis zum Jahr 2032, hat das Rheinisch-Westfälische-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) errechnet (siehe unten).

Eine lohnende Investition? Besonders in Ostdeutschland entstand ab dem Jahr 2000 eine Solarmodul-Fabrik nach der anderen – großspurig sprach man vom Solar Valley. „Doch es wurde auf Masse statt Klasse gesetzt“, kritisiert Holger Krawinkel, Energieexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentrale. Anfangs ging die Rechnung der Politik auf: Firmen und Privatverbraucher montierten sich Photovoltaik-Module aufs Dach, die Hersteller kamen mit der Produktion kaum nach. Doch dann purzelten die Preise – denn China flutete mit billigen und immer besseren Modulen den Markt.

Den deutschen Solarfirmen, die den Preiskampf bis heute überlebt haben, steht das Wasser bis zum Hals. 26900 Menschen arbeiteten 2006 in der Photovoltaik . Dann der Boom mit dem Höchststand 2011: 110900 Beschäftigte. 2012 fiel die Zahl auf 87800 – über 23000 Jobs sind weg. Ist daran China schuld? „Nein, man hat ein Feigenblatt gesucht, urteilt RWI-Experte Manuel Frondel. Holger Krawinkel macht Lobbyismus und Politikversagen für die Misere verantwortlich. Er ist sich sicher: Wären die Subventionen aus einem Bundeshaushalt geflossen, dann hätte die Politik schneller reagiert, als die EEG-Umlage aus den Ruder lief.

Doch die Verbraucher zahlten, und merkten lange nicht, dass eine gewaltige Umverteiliung im Gange war: von unten, den einfachen Stromkunden, nach oben, den Solarfirmen und gutsituierten Häuselbesitzern, die sich eine Solaranlage leisten können. Schon als 2008 in der Großen Koalition erste Subventions-Kürzungen diskutiert wurden ,„setzte sich die aggressive Solar-Lobby“ durch“, so Krawinkel. Die Firmen hätten bei jedem drohenden Einschnitt einen „Anschlag auf die Energiewende“ beklagt.

Über dem lauten Jammern vergaßen die von Subventionen verwöhnten Firmen Forschung und Entwicklung, sagt auch Frondel. Aber die Zukunft gehört High-Tech-Solaranbietern. Hochspezialisierte Firmen entwickeln Solarzellen, die in Lacken versprüht werden können. Die krisengeschüttelten Solar-Unternehmen verbauen den Grundstoff, der für die Lacke notwendig ist übrigens schon lange in ihren Modulen: Es ist Silizium.

So funktioniert die Solar-Förderung:

 Insgesamt 108 Millionen Euro müssen die Verbraucher für die im Jahr 2000 begonnene und die voraussichtlich bis zum Jahr 2038 laufende Photovoltaik-Förderung stemmen, errechnete das RWI-Institut. So funktioniert die Förderung:

Das zentrale Instrument ist die EEG-Umlage. Sie garantiert den Betreibern von Photovoltaik-Anlagen feste Strom-Abnahmepreise. Das Problem: Sinkt an der Strombörse der Preis (unter anderem, weil viel Öko-Strom produziert wird), wird die Differenz zum Abnahmepreis größer. Das muss der Verbraucher mit einer höheren EEG-Umlage ausgleichen. Und die schoss in den letzten Jahren durch die Decke.

Nach und nach hat die Bundesregierung die Vergütungssätze reduziert. Für eine 2008 montierte Solarstrom-Dachanlage wurde dem Betreiber Anfang 2008 für 20 Jahre ein Entgeld von 46,75 Cent pro Kilowattstunde garantiert. Seit Anfang 2012 gibt es für Neuanlagen nur noch 24,43 Cent. Stromintensive Firmen können eine Befreiung beantragen. Das machen derzeit so viele Firme wie nie zuvor. Vor einem Jahr kürzte die Bundesregierung die Förderung für Neuanlagen. Spätestens 2018 ist es mit der Förderung vorbei. Denn dann wird Deutschland die Solarleistung von 52 Gigawatt erreichen. Dann entfällt für Neuanlagen die Abnahmegarantie zu garantierten Preisen. Aber die Altlasten aus bestehenden Anlagen schlagen bis 2038 zu Buche.

Die Pleiten-Serie

Der Katzenjammer bei der Solarworld ist das Spiegelbild einer Branche: Über 500 Aussteller blieben der Münchner Messe Anfang Juni fern, Stände waren verwaist. Seit 2010 folgt in der Solar-Branche Pleite auf Pleite - seit 2010 meldeten über 20 deutsche Firmen Insolvenz an.

April 2010: Mit der Solar City AG ging der erste Solar-Unternehmer bankrott. Grund damals war Untreue.

Dezember 2011: Die Aktie der Solon stürzt ab. Die Berliner Vorzeigefirma wird vom indisch-arabischen Konkurrenten Microsol geschluckt. Mit der Erlanger Solar Millennium eröffnet auch eine bayerische Firma das Insolvenzverfahren.

April 2012: Der einst weltgrößte Solarzellenhersteller Q-Cells in Bitterfeld ist pleite. Hanwha aus Südkorea übernimmt. Der US-Welkotnzern First Solar kündigt das Ende seines Engagements in Deutschland an. 1200 Jobs fallen weg. Juni 2012 Der Dresdner Modulbauer Solarwatt (500 Mitarbeiter) ist zahlungsunfähig. Gläubiger und Kleinanleger müssen 84 Prozent ihrer Forderungen abschreiben. Im Juli erwischt es die Tochterfirma Sunstrom (140 Mitarbeiter).

August 2012: Produktionsende bei Sovello in Sachsen-Anhalt (1000 Mitarbeiter). Die Firma fand keinen Investor mehr. Oktober 2012: Der Branchenriese Siemens steigt aus dem Solar-Bereich aus, konzentriert sich fortan verstärkt auf Wind- und Wasserkraft.

Januar 2013: Das einstige Vorzeigeunternehmen Solarworld gerät in Bedrängnis, hat 900 Mio. Euro Schulden. Gründer Asbeck will einen Schuldenschnitt und hofft auf seinen Rettungsplan.

März 2013: Bosch steigt aus dem Solargeschäft aus, 3000 Beschäftigte sind betroffen. Der Ausflug in die Solarbranche brachte dem Konzern eine Milliarde Verlust. Juli 2013 Trotz Insolvenzantrag will Conergy weiter Module produzieren. Von den rund 1200 Mitarbeitern sind 800 in Deutschland beschäftigt.

 

 

 

 

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