Hoffnung im tiefen Tal
MÜNCHEN - Die Wirtschaft hat den Krisen-Tiefpunkt erreicht, sagen Wirtschafts-Experten. Jetzt könnte es wieder bergauf gehen
Es ist der tiefste Absturz der deutschen Wirtschaft nach dem Krieg: Um 3,8 Prozent brach das Wachstum in den ersten drei Monaten des Jahres ein. Das Statistische Bundesamt bestätigte: Die Wirtschaftskrise hat das Land noch immer fest im Griff. Die Exporte schrumpften um zehn Prozent, die Investitionen der Firmen gingen ähnlich stark zurück. Eigentlich sind das Horrorzahlen. Aber genau das lässt Experten hoffen. Motto: Endlich sind wir unten – nun geht’s wieder bergauf. Kommt jetzt der Aufschwung? Die AZ beantwortet Krisen-Fragen.
Ist die Talsohle wirklich erreicht?
Das glauben viele Experten. „Das Schlimmste ist vorbei“, meint etwa Kai Carstensen, Konjunktur-Chef beim Münchner Ifo-Institut. Das heißt aber nicht, dass es nun steil nach oben geht. Die Wirtschaft stabilisiere sich auf niedrigem Niveau, sagt Carstensen. Und: „Eine zweite Runde der Krise ist durchaus möglich.“
Machen die Firmen jetzt wieder mehr Gewinn?
Einige schon. Vor allem bei Banken und Versicherern ist mit besseren Erträgen zu rechnen. „Bei denen lief’s 2008 allerdings extrem schlecht“, sagt Gerhard Schwarz, Aktienstratege bei Unicredit. Für den Versicherungsriesen Allianz erwartet er eine Rückkehr in die Gewinnzone. Beim Elektrokonzern Siemens dagegen dürfte es eher schlechter laufen. Gut ist: Die Stimmung in den meisten Firmen bessert sich. Das zeigt der wichtige Ifo-Geschäftsklimaindex. „Auch in vielen Betrieben herrscht die Meinung: Es wird nicht mehr schlechter“, so Kai Carstensen.
Muss ich noch Angst um meinen Job haben?
„Das dicke Ende kommt noch, die Talsohle auf dem Arbeitsmarkt ist noch nicht durchschritten“, sagt Thorsten Schulten, Arbeitsmarktexperte am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Die Arbeitlosigkeit hinkt der wirtschaftlichen Entwicklung immer sechs bis neun Monate hinterher. Das heißt: Die Beschäftigten spüren die Anzeichen der Erholung zuletzt. „Im schlimmsten Fall könnten durch die Wirtschaftskrise bis zu fünf Millionen Menschen arbeitslos werden“, schätzt Schulten. Größte Verlierer sind die so genannten prekären Jobs, also Leiharbeiter oder Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen. Am ehesten entstehen Jobs im Umwelt- und im Dienstleistungsbereich, glaubt Schulten.
Haben wir jetzt bald wieder mehr Geld in der Tasche?
In den letzten Jahren hatten die Menschen in Deutschland weniger Geld zum Leben, weil die Inflation einen Teil davon auffraß. Das nennt man einen Reallohnverlust. Dieses Jahr gab es schon Lohnerhöhungen, wenn auch nur mäßig. Wegen der schwach steigenden Preise haben die Menschen tatsächlich mehr Geld in der Tasche. Man merkt das auch: Trotz der Krise haben die Verbraucher in den ersten drei Monaten mehr gekauft. Und auch das Konsumklima im Mai war noch immer ganz gut. Die Verbraucher hätten das Gefühl, dass die Talsohle der konjunkturellen Entwicklung erreicht sei, heißt es beim Nürnberger Marktforscher GfK.
Kann man nun wieder Aktien kaufen?
„Die Börse blickt bereits auf die Zeit nach der Rezession“, sagt Aktienstratege Schwarz. Ob der Optimismus gerechtfertigt ist, muss sich aber erst noch in der Realität zeigen. Schwarz rät deshalb zur Besonnenheit. „Es ist noch unklar, wie stark sich die Wirtschaft erholen wird.“ Wer einsteigen will, sollte Rückschläge abwarten und bedenken: „Es geht nicht schurstracks nach oben.“ aja/mai