Hinschauen!
Es gehen zu viele Extremfälle durch die Lappen – AZ-Chef-reporter Matthias Maus über Solln, Ansbach und die Folgen.
Mord und Amok – die Fälle drängen sich in unerträglich dichter Abfolge. Noch tief im Schock über die Totschläger von Solln überfällt die Öffentlichkeit die Nachricht vom Amoklauf in Franken. Was ist eigentlich los mit unseren jungen Leuten? Die Frage liegt auf der Hand, und doch kann sie nicht eindeutig beantwortet werden - und schon gar nicht pauschal.
Es gibt da die Diskrepanz zwischen den nackten Zahlen und dem subjektiven Eindruck. Eine Zunahme von Jugendgewalt gibt die Statistik nicht her, im Gegenteil. Aber einer friedlicheren Mehrheit steht eine Minderheit gegenüber, die kleiner aber radikaler wird. Immer weniger schlagen immer härter zu, und immer spektakulärer.
Ärzte und Kirchen, Polizisten und Politiker, aber auch Eltern und Lehrer stehen dem anscheinend ratlos gegenüber. Daher die immer gleichen Forderungen, die stereotypen Analysen und die abziehbildhaften Schuldzuweisungen. Am Tag danach wissen alle alles besser.
Richtig ist, dass der Gesellschaft zu viele Extremfälle durch die Lappen gehen; dass die kritischen Situationen zunehmen, in denen die Betroffenen allein sind: die Opfer – wie Dominik Brunner in Solln, aber auch Amoktäter, die sich auf der Verliererstraße in eine Parallelwelt flüchten.
Wenn aus dieser Welt nur noch Gewalt herausführt, dann ist Einsamkeit gefährlich. In diese Einsamkeit dürfen wir niemand entlassen. Dagegen hilft nur die Grundtugend einer funktionierenden Zivilgesellschaft, die Voraussetzung für Zivilcourage: Wir müssen alle hinschauen.
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