Hingehen!
Viele Länder beneiden uns um das Wahlrecht. Nützen wir es! – AZ-Chefreporter Matthias Maus über die erste Bürgerpflicht am Sonntag
Märchenstunde, Schmierentheater, Volksverdummung. Viel gab’s zu schimpfen über den Wahlkampf, der jetzt Gott sei dank zu Ende geht. Er war manchmal Wasser auf die Mühlen all derer, die gar nicht mehr hingehen wollen zur Wahl. Doch nichts könnte falscher sein.
In der Tat gab es Erscheinungen in den vergangenen Wochen, die einen abschrecken können. Und tatsächlich sind nicht alle Nichtwähler unpolitische Schlaffis. Auch politisch Interessierte fühlen sich gelegentlich nicht vertreten, getäuscht oder unverstanden.
Und doch sollte amEnde aller Überlegungen eine Frage stehen: Wie kann man auf Teilhabe an einem politischen System verzichten, das es besser nirgends gibt auf der Welt?
Halbe Kontinente beneiden demokratische Staaten um die Form der Mitsprache. Und dieses Recht werfen wir einfach weg? Das kann, das darf nicht sein.
Nachdenklichere Nichtwähler sagen, man könne sich auch anders gesellschaftlich engagieren. Mitarbeit in Kirchen, Gewerkschaften oder Vereinen ist ungeheuer wertvoll. Aber es lohnt sich ein Blick, wie sehr die Basis dort an der Entscheidungsfindung beteiligt ist. Defizite gibt es auch da.
Politiker haben, im Gegensatz zur landläufigen Meinung, durchaus Respekt vorm Wähler. Das merkt man nicht immer. Aber die Geschichte zeigt, dass sich der Common Sense, der Sinn fürs Gemeinwohl, am besten da durchsetzt, wo möglichst viele Menschen mitreden, wo möglichst viele mitstimmen. Das sind wir uns schuldig.