Herbe Schlappe für Bahnchef Mehdorn

BERLIN/MUENCHEN - Die Schaltergebühr ist vom Tisch: Nach heftiger Kritik von Seiten der Bundesregierung zog Bahnchef Hartmut Mehdorn die Notbremse. Der Vorstand stoppte jetzt die Pläne, im personenbedienten Verkauf auf jeden Fahrschein eine Gebühr von 2,50 Euro zu erheben.
Der Verkehrsminister war dagegen. Der Verbraucherminister sowieso. Und als dann wohl auch noch Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich bei Hartmut Mehdorn anrief – da musste der Bahnchef beim Bedienzuschlag klein beigeben.
Unter Mehdorns Vorsitz kippte der Vorstand des Schienenkonzerns am Freitag bei einer Krisensitzung das Vorhaben, für den Fahrkartenverkauf am Schalter eine Gebühr zu verlangen. Es werde „keinen Zuschlag für den personenbedienten Verkauf“ geben, ließ der Konzern im holprigen Bahnbeamten-Deutsch verlauten – eine herbe Niederlage für den Bahn-Boss.
Ab 14. Dezember wollte die Bahn ursprünglich 2,50 Euro pro Ticket kassieren – fünf Euro für Hin- und Rückfahrkarte. Die Pläne lösten einen Proteststurm bei den Kunden aus. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee telefonierte mehrfach mit dem Bahnchef. Der Aufsichtsrat bearbeitete Mehdorn. Doch der – stets bemüht, seinen Ruf als einer der unpopulärsten deutschen Manager zu erhalten – blieb lange hart. Dann nahm er erst den Zuschlag für Senioren mit Bahncard zurück. Nun blies die Bahn das Projekt ganz ab.
Böse Erinnerungen an das Preissystem-Desaster werden wach
„Die Bahn hat mal wieder die Reaktion der Kundschaft unterschätzt“, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Das Image-Desaster durch den Bedienzuschlag erinnere an den Versuch von 2002, ein neues Preissystem einzuführen. Auch damals war die Zug-Firma kläglich gescheitert.
Immerhin: Verbraucherschützer lobten Mehdorns Rückzieher. „Gut, dass der Zuschlag vom Tisch ist“, so Maren Herbst von der Allianz pro Schiene. Die Gebühr hätte Neukunden abgeschreckt. „Gerade die brauchen Beratung.“ Auch für Pro-Bahn-Chef Naumann ist Mehdorns Schlappe eine „gute Nachricht“: Die Gebühr diskriminiere „alle, die komplizierte Fahrkartenautomaten nicht bedienen können“. Kritiker hatten Bahnchef Mehdorn (monatliches Gehalt: 247000 Euro) deshalb vorgeworfen, vor allem Rentner schröpfen zu wollen.
60 Millionen Euro futsch - einfach so
Fahrgast-Vertreter Naumann fordert daher eine rechtliche Regelung, die Bedienzuschläge grundsätzlich verbiete. „Irgendwann wird es automatische Supermarktkassen geben“, glaubt er. „Sollen Rentner, die damit nicht zurecht kommen, für jeden Einkauf eine Gebühr zahlen?“
Die Bahn will nun statt des Strafgeldes Kunden für Käufe am Automaten oder im Internet mit Rabatten belohnen. „Das ist der bessere Weg“, sagt Maren Herbst. Für Mehdorn aber auch der teurere: Ihm gehen damit 60 Millionen Euro jährlich verloren. Andreas Jalsovec
Was die Bahnkunden sonst noch nervt
Geht es nach Verbraucherschützern, sollte die Bahn nicht nur den Fehler beim Bedienzuschlag korrigieren. Es gibt noch mehr Dinge, die die Fahrgäste nerven:
Kartenverkauf im Zug: Er wurde in Regionalbahnen abgeschafft. „Aber oft funktionieren die Automaten an den Bahnsteigen nicht“, sagt Pro-Bahn-Chef Karl-Peter Naumann. Er fordert: Die Bahn soll Automaten in den Zügen aufstellen.
Speisewagen im ICE: In den neuen ICEs gibt es deutlich weniger Sitzplätze im Speisewagen. Das ärgert viele. Und einfache Gerichte wie Currywurst oder Pizza darf man nur im Steh-Bistro ordern.
Zwei Tickets für eine Strecke: Wer bei einer Bahnreise auf einem Teil der Strecke mit einem Konkurrenten wie der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) fährt, muss oft zwei Tickets lösen.
Abzocke beim Fahrrad: Auf vielen Strecken in Oberbayern ist die Fahrradmitnahme kostenlos. Gleichzeitig gibt es am Automaten Rad-Tickets zu kaufen. „Viele Reisende zahlen fürs Rad, obwohl sie’s gar nicht müssten“, sagt der bayerische Pro-Bahn-Vertreter Andreas Barth. Die Lösung: ein Hinweis am Automaten, welche Strecken gebührenfrei sind. Die Bahn lehnt das aber ab – und kassiert weiter.