Heilige Arroganz
Nur gemeinsam können sie einen Neuanfang schaffen: Angela Böhm, AZ-Landtagskorrespondentin, über Missbrauch und die Kirche
Menschliche Sexualität und kirchliche Sexualmoral – das ist ein Dauerkonflikt mit vielen Tabus und noch mehr Verklemmtheit. Auch im Umgang mit der Homosexualität, die in katholischen Priesterkreisen weit verbreitet ist. Da wird versucht, hinter Kirchen- und Klostermauern alles schön unter der Decke zu halten, mit heiliger Arroganz lieber wegzuschauen und alles unterm Kreuz zu vertuschen. Solange bis es nicht mehr anders geht. Inzwischen steht fest: Kindesmissbrauch in kirchlichen Internaten und Einrichtungen ist kein Einzelfall – und ein Kavaliersdelikt sowieso nicht. Es ist ein handfestes strafrechtliches Problem mit Ausmaßen, die kaum jemand für möglich gehalten hat.
Dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx bleibt keine andere Wahl, als die Missbrauchs-Fälle in seinem Bistum gnadenlos aufzuklären und durchzugreifen, wenn er die Glaubwürdigkeit der Kirche noch retten, das verlorene Vertrauen zurückgewinnen will. Zum Unmut früherer Schüler des Klosters Ettal und Eltern, deren Kinder von sexuellen Übergriffen verschont blieben. Mit harscher Kritik und Protestbriefen kritisieren sie seine harte Line und fürchten dabei offensichtlich nur eines: Dass der Ruf ihrer Eliteausbildung zusammenkracht.
Dabei dürfte es für alle – Kirche, Eltern und Schüler – jetzt nur ein Ziel geben: Alle Missbrauchsfälle erkennen. Denn Opfern helfen. Vorbeugen, hellwach und sensibel sein, damit solche sexuellen Vergehen an Kindern nicht mehr vorkommen können. Nur gemeinsam können sie in der kirchlichen Erziehung überhaupt einen Neuanfang schaffen.
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