Hartz IV: Reformpläne und ihre Folgen - Die große Debatte
Jetzt bricht die große Hartz-IV-Debatte wieder los: Wie hoch dürfen die Sätze sein – wenn der Abstand zu Arbeitnehmern noch gewahrt sein soll? Wie die Sätze entstehen, wie sie werden sollen.
BERLIN Jetzt bricht die große Hartz-IV-Debatte wieder los: Wie hoch dürfen die Sätze sein – wenn der Abstand zu Arbeitnehmern noch gewahrt sein soll? Wie hoch müssen sie sein – damit man davon leben kann? Und wie soll das berechnet werden? Das Durchsickern der Reformpläne von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen hatte die Diskussion wieder neu angestoßen.
Was ist der Stand? Das Bundesverfassungsgericht hat eine große Reform verfügt. Das Arbeitsministerium sitzt derzeit an der Feinarbeit: So sollen die Sätze künftig nicht mehr parallel zu den Renten steigen, sondern je zur Hälfte parallel zu den Löhnen und zur Preisentwicklung. Sie sollen für Erwachsene neu festgesetzt werden. Das Ministerium geht davon aus, dass die Sätze künftig höher liegen. Für Kinder gibt es Sachleistungen wie bezahltes Mittagessen und Freizeit-Gutscheine.
Wer stört sich daran? Viele Politiker von Union und FDP sind absolut gegen höhere Sätze. „Das ist wenig wünschenswert“, so Max Straubinger (CSU). „Man muss das Lohnabstandsgebot beachten.“ Michael Fuchs (CDU): „Der Sparkurs darf nicht gefährdet werden. Hartz IV darf nicht attraktiver werden als Arbeit.“ Einige wenige CDU-Politiker verteidigten die Orientierung an der Preisentwicklung.
Wie entsteht der Hartz-IV-Satz? Grundlage ist die EVS, die Einkommens- und Verbraucherstichprobe, die das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre macht. Dafür führen 60000 Haushalte detailliert Buch über ihre Ausgaben. Die letzte stammt von 2003, die neue soll im Herbst fertig sein. Sie bezieht sich grundsätzlich auf den deutschen Durchschnitts-Haushalt (mit 2,1 Bewohnern inklusive Kindern); siehe Tabelle, letzte Spalte. Für Hartz-IV wird betrachtet, was ein alleinstehender Erwachsener im ärmsten Fünftel der Gesellschaft laut EVS ausgibt. Der Hartz-IV-Satz berechnet sich in Prozentwerten von diesen Ausgaben: zum Beispiel 100 Prozent bei Kleidung, 96 Prozent bei Nahrung, 55 Prozent bei Freizeit. Für den Kostenblock Wohnen, Instandhaltung bekommt der Hartz-IV-Empfänger nur acht Prozent der Ausgaben des Niedrigverdieners (für Reparaturen etc), weil die Miete ja bezahlt wird. Für Kinder gibt’s wiederum Prozentwerte von den Hartz-VI-Erwachsenen.
Wie wird das geändert? Kinder sind keine Prozent-Erwachsenen, hat Karlsruhe festgelegt. Von der Leyens Experten kamen nun aber zum Schluss, dass die Kindersätze dennoch realistisch sind: Ihre höheren Kosten für Windeln oder neue Kleidung gleichen sich offenbar mit den ihnen von Amts wegen zugestandenen Ausgaben für Alkohol (5,27 Euro im Monat) oder Zigaretten (8,11 Euro) in etwa aus. Bei den Erwachsenen dagegen müssten die Sätze tatsächlich höher sein, so die Ministeriellen.
Lohnt sich arbeiten? Ob das Lohnabstandsgebot gewahrt ist, wird vom ISG-Institut regelmäßig offiziell überprüft – 2009 war das noch der Fall. Ein Hilfsarbeiter mit drei Kindern hatte monatlich 15 Prozent mehr Geld zur Verfügung als ein vergleichbarer Hartz-IV-Haushalt. tan