Hartz-IV-Reform und die Folgen: Zehn Euro Stundenlohn

So viel muss ein Familienvater verdienen, um auf Hartz-IV-Niveau zu kommen: Nach der Reform geht die Debatte um Niedrigverdiener wieder los – ist der Abstand zu Arbeitnehmern groß genug?
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Am Ende des Monats bleibt Niedrigverdienern in etwa das gleiche wie bei Hartz.
dpa Am Ende des Monats bleibt Niedrigverdienern in etwa das gleiche wie bei Hartz.

BERLIN - So viel muss ein Familienvater verdienen, um auf Hartz-IV-Niveau zu kommen: Nach der Reform geht die Debatte um Niedrigverdiener wieder los – ist der Abstand zu Arbeitnehmern groß genug?

Lohnt sich Arbeiten? Um die geringe Hartz-IV-Erhöhung zu verteidigen, argumentiert Schwarz-Gelb nun wieder mit den Niedrigverdienern, die auch nicht mehr hätten. In der Tat schmilzt der Abstand zwischen den unteren Lohngruppen und den Hartz-IV-Empfängern immer weiter – wobei man das Problem auch bei den niedrigen Verdiensten sehen kann.

Wie läuft die Debatte?

Eine stärkere Erhöhung als um fünf Euro sei eine „Ausplünderung der Mitte“, sagt Vizekanzler Guido Westerwelle. „Wir brauchen eine faire Balance, die auf Hilfe angewiesen sind, und denjenigen, die mit ihren Steuern diese Hilfe erst möglich machen.“

Wie sehen die Zahlen aus?

Für Furore sorgte im Winter eine Studie des Karl-Bräuer-Institutes, die die FAZ mit Hartz-IV-Sätzen kombiniert hatte: Demnach habe ein Kellner 109 Euro weniger als ein Hartz-IV-Familienvater. Nicht mitberechnet war allerdings, dass sie aufstocken können, dank der Freibeträge mehr behalten und dann immer mehr haben als Hartz-IV-Empfänger, gefehlt hat außerdem das Wohngeld. Die FAZ hat den Text aus ihrem Archiv gelöscht. Die Tatsache, dass der Abstand schmilzt, bleibt aber, sagt Karl Brenke vom Wirtschaftsforschungsinstitut DIW Berlin zur AZ. Auf einen durchschnittlichen Vollzeitsarbeitsmonat mit 156 Wochenstunden umgerechnet gibt es bei Hartz IV – eben inklusive Miete – sozusagen einen Stundenlohn von fünf Euro für Alleinstehende beziehungsweise zehn Euro bei einem Familienvater (zwei Erwachsene, zwei Kinder), so Brenke. „Da sind wir schon über dem, was man in Niedriglohnbranchen bekommt.“

Besonders in Großstädten wie München mit seinen hohen Mieten sei das Problem verschärft, so der DIW-Mann. 40 Prozent der Hartz-IV-Empfänger haben keine Berufsausbildung, das heißt, „für sie lohnt sich die Aufnahme ökonomisch fast gar nicht“ – denn in den für sie verfügbaren Jobs haben sie am Ende des Monats in etwa das gleiche wie bei Hartz.

Ändert sich etwas durch die neuen Sätze?

Kaum, sagt der DIW-Mann, jedenfalls nicht beim Abstand. Wichtiger seien andere Faktoren – etwa, dass die Hartz-IV-Empfänger nicht von der Kindergeld-Erhöhung profitiert haben. Dafür spüren sie aber auch nicht die Erhöhung der Sozialabgaben ab Januar, die einen Geringverdiener mit 1000 Euro brutto immerhin mit acht Euro belasten.

Was ist mit Hinzuverdienst?

Das Armutsrisiko sei in Deutschland besonders hoch, erklärte gestern OECD-Experte Herwig Immervoll – nicht, weil die Hartz-IV-Sätze zu niedrig seien, sondern weil beim Zuverdienst die Anreize zu gering seien, sich nicht nur einen Mini-Job, sondern einen richtigen zu suchen. Hier widerspricht DIW-Mann Brenke vehement: „Um Himmels Willen, bloß nichts an den Zuverdienstregeln ändern. Das ist der teuerst vorstellbare Kombilohn, ein falscher Anreiz gleich für zwei Parteien: Denn Arbeitgeber können die Löhne dann noch weiter drücken, der Staat zahlt’s ja.“

Wie geht’s weiter mit der Reform?

Die Union macht immer mehr Druck auf die SPD, im Bundesrat Ja zu sagen – sonst gebe es gar keine Erhöhung, so Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier. Das widerspricht aber dem Urteil aus Karlsruhe.

tan

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