Hand in Hand in der Datenwolke

Island im Juni ist ein Traum: Die Sonne geht nur für eine Stunde in der Nacht unter, viele Blumen blühen in der wilden Landschaft. Aber nicht nur deshalb freut sich Andreas Sturm auf seinen Flug nach Island in der nächsten Woche. Der Manager des Datencenter-Anbieters Verne Global ist dabei, zusammen mit BMW und Volkswagen einen richtungweisenden Deal in Island einzutüten.
MÜNCHEN Island ist ein einzigartiger Standort für Rechenzentren, die von Anbietern wie Verne bereitgestellt werden: Ökostrom aus Wasserkraft und Geothermie kostet gerade mal vier Cent pro Kilowattstunde, und Verne kann seinem Kunden BMW, der zurzeit schon verschiedene Programme mit hohem Energiebedarf in Island laufen lässt, diesen Preis für 20 Jahre garantieren. Weil praktisch nie Windstille herrscht, erübrigt sich die aufwendige Kühlung weitgehend, die Rechenzentren an anderen Standorten brauchen.
Beim Datenschutz verspricht Sturm höchste Standards: „Island hat nie den ’Patriot Act’ unterschrieben, der den US-Sicherheitsbehörden den Zugriff auf Daten auch in Europa erlaubt“, argumentiert der 50-jährige Münchner. Was auch immer auf der Insel geschehe, bleibe vertraulich.
Die Insel am Polarkreis ist somit wie geschaffen für eines der amibitioniertesten Projekte, die BMW zurzeit im IT-Bereich angeht: Die Verlagerung von Anwendungen in die Datenwolke – das heißt, die Entkopplung der Software von der Hardware. Das Ziel: Aufwendige Programme laufen weiter, auch wenn ein Rechner beispielsweise für Wartungsarbeiten vom Netz muss. Die Software zieht innerhalb von Millisekunden auf einen anderen Rechner um.
Das gewährt mehr Stabilität und höhere Effizienz – in der Theorie. In der Praxis scheitert das Arbeiten in der Wolke vielfach noch an ungelösten Software-Problemen – und am Geld. Unter anderem wegen der Finanzen ist man bei BMW ganz froh, dass Verne dabei ist, zwei weitere Schwergewichte aus der Autobranche als Kunden zu gewinnen: Volkswagen und einen weiteren europäischer Autohersteller.
Vertreter der drei Konzerne werden in der nächsten Woche mit Verne über Rechnerkapazitäten sprechen – und sie werden sich zusammen an einem Tisch sitzen und verhandeln: Wie können die beträchtlichen Kosten für eine Datenwolke gestemmt werden? Weder BMW noch Volkswagen wollen in Vorleistung gehen, heißt es. Denkbar seien allerdings auch eine Reihe anderer Finanzierungsmodelle, sagt Sturm. „Wichtig ist jetzt, dass alle erklären, welche Datenmengen sie in Anspruch nehmen werden.“ Die Chancen stünden nicht schlecht, dass die entsprechenden Verträge noch in diesem Jahr unter Dach und Fach gebracht würden.
Dann geht’s an die Umsetzung. Unter anderem müssten „Chinesische Mauern“ hochgezogen werden, sagt Sturm – also Sicherheitsvorkehrungen, die gewährleisten, dass auch in der Datenwolke kein Hersteller dem anderen über die Schulter sehen könne. Vielleicht hilft den Softwareingenieuren ja dabei der isländische Way of Life: Nur gut 320000 Einwohner leben auf der Insel, irgendwie kenne jeder jeden, sagt Sturm – das sorge für gute Umfangsformen. „Alle benehmen sich. Man muss ja miteinander auskommen.“