Gut belogen ist halb verkauft
Handel und Hersteller tricksen im Laden. Ermittlungen gegen Bosch Siemens. In manchen Jahren soll es Bestechung im Volumen von zehn Millionen Euro gegeben haben, damit die Verkäufer den Kunden bestimmte Marken aufschwatzen
Korrupte Verkäufer, die den Kunden bestimmte Elektrogeräte aufschwatzen, um selbst Warengutscheine einzustecken? „Bei uns findet grundsätzlich eine neutrale Beratung statt“, beteuerte am Wochenende eine Sprecherin der Ketten Saturn und Media Markt auf AZ-Anfrage. Die neuesten Vorwürfe der Staatsanwaltschaft hatten Zweifel an der Beratungspraxis im deutschen Einzelhandel geweckt.
Wieder einmal ist der Name Siemens im Spiel. Diesmal jedoch geht es nicht um Schmiergelder, mit denen Großkunden bestochen werden sollten, sondern um geldwerte Vorteile für Verkäufer, die im täglichen Kontakt mit Privatverbrauchern stehen. Der Haushaltsgeräte-Hersteller Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) soll in großem Stil Warengutscheine an Mitarbeiter von Discountern und Elektrofachmärkten ausgegeben haben. Die Verkäufer hätten dazu gebracht werden sollen, ihren Kunden Geräte der Marken Bosch und Siemens aufzuschwätzen.
Tank-, Reise- und Warenhausgutscheine
Laut „Spiegel“ soll sich der Wert der Gutscheine in manchen Jahren auf mehr als zehn Millionen Euro summiert haben. Die Verkäufer seien zum Beispiel mit Tank-, Reise- und Warenhausgutscheinen bestochen worden. Mancher Verkäufer habe so jahrelang monatlich Vergünstigungen im Wert von über 1000 Euro bekommen – womöglich steuerfrei, am Finanzamt vorbei.
BSH ist aus einem Gemeinschaftsunternehmen zwischen der Stuttgarter Robert Bosch GmbH und Siemens entstanden. Neben Bosch und Siemens vertreibt BSH unter anderem die Marken Gaggenau, Neff, Thermador, Constructa, Viva und Ufesa. Das Unternehmen erklärte, es habe sich „zu einer Kooperation mit der Staatsanwaltschaft entschlossen, um möglicherweise unlautere Verkaufsförderungsmaßnahmen der Vergangenheit zu untersuchen“.
Manche Verkäufer bekommen gar kein Festgehalt
Provisionen für die Verkäufer sind im Einzelhandel gang und gäbe, berichtet Joachim Stumpf von der Münchner Unternehmensberatung BBE. In vielen Bereichen seien die Festgehälter außerordentlich niedrig; nur mit ihren Provisionen kämen die Beschäftigten auf einen akzeptablen Lohn. „Verkäufer von Kücheneinrichtungen bekommen zum Teil überhaupt kein Festgehalt.“
Über die Provisionen können die Einzelhandels-Unternehmen den Absatz bestimmter Marken oder Produktgruppen steuern. Das kann bedeuten: Ware, die der Händler in der Werbung mit günstigen Preisen auszeichnet, um Kundschaft ins Geschäft zu locken, bringt dem Verkäufer keine Provision. Also wird der Beschäftigte versuchen, den Kunden von anderen Produkten zu überzeugen.
Lieferanten richten Wettbewerbe aus
Normalerweise gewährt der Händler und nicht der Hersteller die Provisionen, doch sind die Grenzen fließend: Mancher Händler verlangt von den Herstellern, dass sie sich an Verkaufs-Aktionen finanzkräftig beteiligen. Die Lieferanten lassen sich nicht lange bitten, richten unter den Verkäufern Wettbewerbe mit attraktiven Geld- und Sachpreisen aus.
Übers Internet können die Beschäftigten verfolgen, auf welchem Rang sie dank ihrer Verkäufe stehen, welche Gewinne ihnen winken. Ob ihre Kunden objektiv beraten wurden, interessiert dann freilich niemanden mehr. sun
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