Grün, grüner, Siemens?
Milliarden-Profite in einer Boombranche: Der Siemens-Konzern schwimmt auf der Umweltwelle und will sich jetzt Aufträge aus den weltweiten Konjunkturprogrammen sichern.
MÜNCHEN Was der Umwelt nützt, nützt auch dem Geldbeutel: Siemens, das sich selbst als weltweit größter Anbieter umweltfreundlicher Infrastrukturtechnik sieht, will noch mehr Geld als bisher mit Öko-Energie verdienen. Die Zeit scheint dem Konzern günstig: Heute informiert der Konzern darüber, wie die internationalen Konjunkturpakete für Umweltvorhaben genutzt werden können.
Vorstandschef Peter Löscher hat bisher als Ziel ausgegeben, im Jahr 2011 insgesamt 25 Milliarden Euro mit Öko-Produkten zu erwirtschaften. 2008 waren es immerhin schon knapp 19 Milliarden Euro.
2020 insgesamt 2,2 Millionen Umwelt-Jobs in Deutschland
Siemens schwimmt auf der Öko-Welle – wie mittlerweile zahllose weitere deutsche Firmen. Die Umweltbranche hat dank staatlicher Förderung und akademischer Spitzenforschung ihr Nischendasein längst hinter sich gelassen. Optimistische Rechnungen sehen sie bereits als Leitbranche der deutschen Industrie, noch vor den Autoherstellern und dem Maschinenbau. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger für das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass 2020 in Deutschland 2,2 Millionen Arbeitskräfte in der Umweltbranche arbeiten werden.
Und Siemens sieht sich als Trendsetter. Zum Teil investiert das Unternehmen in vollkommen neue Projekte – beispielsweise das 400 Milliarden teure Energieversorgungs-Szenario „Desertec“ unter Federführung der Münchner Rück, bei dem zahlreiche Firmen Solarstrom umweltschonend aus der Sahara nach Europa liefern wollen. Außerdem ist Siemens an zahlreichen Wind- und Wasserkraft-Vorhaben beteiligt. Beispielsweise installierte der Konzern im Öresund den schwedischen Offshore-Windpark Lillgrund. Er produziert grüne Energie für 60000 schwedische Haushalte.
Manche andere Siemens-Vorhaben haben eigentlich nichts mit Umwelt zu tun, gehen aber in die Öko-Rechnung des Konzerns mit ein, weil sparsamer Umgang mit Energie bei praktisch allen Produkten eine immer größere Rolle spielt. Beispielsweise verbrauchen Siemens-Computertomographen der neuesten Generation viel weniger Strom als ältere Geräte.
Stolz rechnet der Konzern vor, wieviel Kohlendioxid der Erdatmosphäre durch Siemens-Produkte erspart bleibt. 2008 seien es 148 Millionen Tonnen gewesen – mehr als das 25-Fache der Kohlendioxidmenge, die Siemens selbst in die Atmosphäre gepustet habe.
Umweltschützer kritisieren Siemens wegen Atomkraftwerken
Als lupenreines Umwelt-Unternehmen geht Siemens bei Öko-Aktivisten trotzdem noch nicht durch (siehe Interview). Zu groß sind die Ertragschancen bei der viel geschmähten Kernkraft. Erst im März vereinbarte Siemens mit dem russischen Rosatom-Konzern eine strategische Partnerschaft zum Bau neuer Nuklearfabriken. Peter Löscher spricht von einem Marktpotenzial von 1000 Milliarden Euro. Bis 2030 wollen Siemens und Rosatom weltweit über 100 neue Meiler bauen.
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