Grober Unfug
Die Koalition wollte das Steuerrecht entrümpeln – und versagt. AZ-Aktuell-Ressortchef Frank Müller über die Mehrwertsteuer.
Familienförderung, Erbschaftssteuer, Entlastung für Unternehmen: Über fast alles, was Berlin am Freitag beschlossen hat, kann man reden. Aber nicht über die Mehrwertsteuerreform für Hoteliers. Für diesen Teil des Finanzpakets mit dem monströsen Titel „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ gibt es nur ein Urteil: grober Unfug.
Künftig müssen also Hotelbetreiber nur noch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz abführen. Weil sie schon klargemacht haben, dass sie diesen Vorteil nicht an ihre Kunden weiterreichen wollen, handelt es sich praktisch um eine versteckte Subventionierung des Gastgewerbes durch den Steuerzahler. Teile der Branche haben die Zukunft verschlafen und deswegen vor allem bei der CSU ihre Lobbymaschine angeworfen – dafür gibt es nun ein Steuergeschenk vom Finanzamt.
Dessen konjunkturelle Wirkung ist gleich null, der Schaden aber weit größer als jene Milliarde Euro, die der Quatsch kostet. Die Botschaft von Berlin lautet: Eine Koalition, die antrat, das Steuersystem zu entrümpeln, versagt an der ersten Hürde – und schafft eine neue Ausnahme, auf die sich nun Interessengruppen aller Art berufen können. Dieser Beschluss wird der Regierung noch um die Ohren fliegen.