Griechenland: Scharfer Streit über Schuldenerlass

Der Streit über die richtigen Rettungsmaßnahmen für Griechenland ist kurz vor dem Euro-Sondergipfel voll entflammt.
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Der Streit über die richtigen Rettungsmaßnahmen für Griechenland ist kurz vor dem Euro-Sondergipfel voll entflammt. Am Wochenende meldeten sich Wissenschaftler und Politiker zu Wort, die einen Erlass griechischer Schulden für zwingend halten.

Berlin/Brüssel - Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz sagte dem "Focus", er halte einen Schuldenschnitt letztlich "für unausweichlich". Allerdings müsse er so gestaltet werden, "dass daraus für die Euro-Zone kein Desaster erwächst".

Gegen einen Schuldenerlass zum jetzigen Zeitpunkt wandte sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der sich in die Debatte einschaltete. Vor der Einführung gemeinsamer Staatsanleihen, sogenannter Euro-Bonds, warnte er vehement. Weidmann sagte der "Bild am Sonntag": "Nichts würde die Anreize für eine solide Haushaltspolitik rascher und dauerhafter zerstören als eine gemeinsame Haftung für die Staatsschulden." Mit der Einführung gemeinsamer Anleihen - so genannter Eurobonds - gäbe es einen einzigen Zinssatz für gemeinsame Schulden. Gegner befürchten, dass dies den Schuldensündern die Anreize für eine Haushaltssanierung nehmen könnte.

Auch ein Schuldenerlass könnte nach Weidmanns Analyse die griechischen Probleme derzeit nicht lösen: "Griechenland konsumiert deutlich mehr als es erwirtschaftet, der Staatshaushalt weist hohe Defizite auf. So lange sich daran nichts ändert, schafft selbst ein Schuldenschnitt keine wirkliche Besserung."

Widerspruch kam vom stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß: "Bundesbankpräsident Weidmann irrt - ohne einen Schuldenschnitt werden die Probleme Griechenlands nicht gelöst werden können. Immer mehr Ökonomen schlagen nun einen solchen Schritt vor." Im Übrigen sei der Bundesbank-Chef wegen der Interessen der Europäischen Zentralbank befangen.

Wie Weidmann lehnt eine Mehrheit der Bundesbürger laut einer Umfrage einen Schuldenerlass für Griechenland ab: In einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" sprachen sich 60 Prozent gegen eine Teilentschuldung aus, 35 Prozent dafür. In der Frage der Euro-Rettung ist die Bevölkerung gespalten: 49 Prozent wollen keine Währungsstabilisierung "koste es was es wolle", 48 Prozent schon.

Für den Wirtschaftsweisen Franz bestünde eine Lösungsmöglichkeit darin, "dass der derzeitige Euro-Rettungsschirm EFSF griechische Staatspapiere mit einem gehörigen Abschlag in von ihm ausgegebene und garantierte Anleihen umtauscht". Einerseits wäre dann ein Schuldenschnitt - also ein teilweiser Schuldenerlass - realisiert, andererseits verfügten Banken und Versicherungen dann über Wertpapiere mit bester Bonität.

In Brüssel wird derzeit diskutiert, dass der Rettungsfonds künftig den Anleihen-Kauf von Privatgläubigern finanzieren oder Schuldenländern den Rückkauf eigener Anleihen ermöglichen könnte.

Ein Rückkauf eigener Staatsanleihen könnte die Schuldenlast Griechenlands laut Berechnungen des Bundesfinanzministeriums um 20 Milliarden Euro senken - dies berichtet der "Spiegel". Nach diesem Modell würde der Euro-Rettungsschirm EFSF dem Land Geld geben, damit es seine Anleihen selbst zum Marktpreis von privaten Gläubigern zurückkaufen könnte. Dies wäre nach Darstellung des "Spiegels" ein gutes Geschäft für Griechenland, da die Kurse für griechische Anleihen derzeit um bis zu 50 Prozent unter ihrem Nennwert lägen.

Dieser sogenannte "Bond-Buy-Back" sei eine von mehreren Varianten, die Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) derzeit zur Lösung der griechischen Schuldenkrise prüfen lasse, heißt es. Andere Vorschläge seien unter anderen ein echter Schuldenschnitt, verbunden mit dem Tausch von Griechenland-Anleihen in längerfristige, mit Garantien besicherte Papiere. Im Gespräch sei weiterhin auch Schäubles Vorschlag einer "sanften Umschuldung", der vorsieht, die Laufzeiten aller Griechenland-Anleihen um sieben Jahre zu verlängern. Beide Modelle gelten in Europa allerdings als weniger konsensfähig als das Rückkaufprogramm.

Laut einem "Focus"-Bericht stellt sich die Regierungskoalition wegen eines neuen Rettungspaketes für die Eurozone auf zusätzliche Haushaltsrisiken ein. Im Falle eines Schuldenschnitts seien zumindest Steuerausfälle aufgrund höherer Abschreibungen zu erwarten, berichtet das Magazin unter Berufung auf Regierungskreise. Bei einem Abschlag von 50 Prozent auf Griechenland-Anleihen könnten allein die deutschen Banken gut zehn Milliarden Euro abschreiben müssen.

Der Chef des Euro-Rettungsfonds EFSF, Klaus Regling, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", derzeit deute viel darauf hin, dass der Rettungsfonds sich demnächst an der Griechen-Rettung beteiligen solle. Man werde aktiv, "wenn die Minister einen Beschluss gefasst haben": "Dann werden wir unsere Aufgabe erfüllen."

Den genauen Weg aus der Schuldenkrise soll ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten am Donnerstag (21. Juli) ebnen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte das Spitzentreffen am Freitag einberufen.

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