Gold im Höhenrausch
Sein Preis steigt seit Jahren und steht nun unmittelbar vor der »magischen Grenze« von 1000 Dollar. Der Gold-Boom treibt immer verrücktere Blüten – vom Gold-Sekt bis zur Gold-Zigarre.
Wenn Peter Ossenkopf auf Jahrmärkten seine Goldwäscherpfanne schüttelt, dann sammelt sich um ihn stets eine stattliche Menschentraube. Ein paar kleine Flocken Gold gibt der Thüringer dann in einen Haufen Sand, wäscht das Ganze mit seiner Pfanne wieder aus, und nach einigen Minuten kommt das Gold wieder zum Vorschein – zur Freude der Zuschauer. „Gold“, sagt der Thüringer, „fasziniert die Menschen eben, selbst wenn es nur ein paar winzige Flocken sind“. Und momentan scheint es, als wäre die ganze Welt in einen neuen Goldrausch geraten.
„Das Interesse am Goldsuchen ist größer geworden“
Ossenkopf ist Vorstand der Deutschen Goldsuchervereinigung mit Sitz im fränkischen Goldkronach. Und wenn der 68-jährige Mineraloge nicht gerade mit seinem Wäscher-Werkzeug an Flussläufen nach Goldteilchen sucht, dann präsentiert er sein Hobby gerne auf Jahrmärkten. „Das Interesse am Goldsuchen ist größer geworden“, stellt er fest, „Allerdings: Verdienen kann man damit nichts.“ Vor einigen Jahren habe er einmal seinen Stundenlohn ausgerechnet. Auf ungefähr 20 Cent sei er da gekommen.
Heute dürfte es etwas mehr sein. Denn seit acht Jahren steigt der Goldpreis nahezu ohne Pause. Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er über 1000 Dollar klettert – schon heute könnte es soweit sein. Eine Marke, die sicher dafür sorgen wird, dass Ossenkopf bei seinen Gold-Vorführungen künftig noch mehr Zuschauer hat: Noch nie war Gold so teuer.
Doch nicht nur auf Jahrmärkten spürt man das neu erwachte Interesse an dem edlen Metall. „Die Leute kaufen immer noch Gold – selbst bei dem hohen Preis“, wundert sich Mirko Schmidt vom Münchner Goldhandelshaus Pro Aurum. Zeitweise, berichtet er, habe es sogar Engpässe bei der Versorgung mit Goldmünzen gegeben.
Grund für den Goldrausch bei vielen Sparern ist die Angst vor einer weltweiten Rezession. Hoher Ölpreis, schwacher Dollar, US-Finanzkrise – das alles treibt die Menschen dazu, ihr Geld in Gold zu tauschen. Denn das Edelmetall gilt als sicherer Hafen, als Hort der Stabilität – ein Inbegriff der Beständigkeit.
Das war Gold freilich schon lange bevor jemand auf die Idee kam, die Kurse des Edelmetalls täglich an der Börse zu notieren. „Schon in Frühzeiten war es ein Symbol für die Ewigkeit“, sagt Archäologieprofessor Hans-Gert Bachmann. „Nicht umsonst haben fast alle Kulturen ihren Herrschern Gold als Pfand für das Jenseits mit ins Grab gegeben.“ Rund 5000 Stück kunstvoll gefertigter Gold-Beigaben fand man im 1922 entdeckten Grab Tutanchamuns. Der Sarg des altägyptischen Königs war aus 110 Kilogramm schwerem, massivem Gold gefertigt.
„Mythos Gold“
„Gold als Beigabe für die letzte Reise – damit wollte man der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlagen“, erklärt Bachmann, der dem „Mythos Gold“ ein ganzes Buch gewidmet hat. Gold galt den Ägyptern als Element der Wiedergeburt – als „Stück vom Fleisch der Götter“. Eine Vorstellung, die nicht nur am Nil verbreitet war. Schon die ersten Goldfunde aus der Nähe von Varna am Schwarzen Meer waren Grabbeigaben.
Rund 6000 Jahre sind diese Schätze alt. Bereits damals schafften es die Gold-Handwerker, aus dem Metall kunstvolle Figuren zu formen. Mit Blasrohr und Holzkohle brachten sie das Metall zum Schmelzen. „Neben dem sonnengleichen Glanz waren es vor allem die physikalischen Eigenschaften, die die Menschen am Gold faszinierte,“ sagt Experte Bachmann.
Tatsächlich lässt sich Gold so leicht und so kunstvoll bearbeiten, wie kein anderes Metall. „Dehnbarer Stein“ hieß es daher bei den Ägyptern. Seine Flexibilität ist rekordverdächtig: Aus einer Unze (31,1 Gramm) kann man einen Faden von 56 Kilometer Länge ziehen. Gold lässt sich zu Blättern von bis zu einem zehntausendstel Millimeter Stärke hämmern. Das ist so dünn, dass man es ohne Probleme sogar verspeisen kann.
Was viele auch tun. Seitdem Gold bei Anlegern wieder in aller Munde ist, finden auch Köche und Konditoren Geschmack an dem edlen Stoff. Küchenchefs verzieren Desserts und Süßwaren mit Goldpuder. Die Schweizer Firma DeLafée verkauft Schokostäbchen mit Blattgold-Überzug. Das Unternehmen aus Neuchâtel hat sogar eine Zigarre mit goldener Oberfläche im Angebot – und einen Sekt mit Goldflocken. Pünktlich zu Ostern gibt’s außerdem einen Schokohasen, innen 52 Prozent Kakao, außen 24 Karat Gold.
Gebratene Wachteln mit Gold
Dass man Gold essen kann – diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon im Mittelalter verzierte die bessere Gesellschaft ihre gebratenen Wachteln damit. In Indien wird Gold seit jeher als Deko für Lebensmittel verwendet. Zwölf Tonnen essen die Inder pro Jahr noch heute.
Das ist nicht viel verglichen mit den 2700 Tonnen, die weltweit jährlich gefördert werden. Aber es ist spürbar. Denn nachgefragt wird ein Drittel mehr. Die Lücke wird durch das Recycling von Altgold gefüllt. Und auch das erlebt derzeit einen regelrechten Boom.
Erst jüngst stoppte der Edelmetallkonzern Heraeus den Ankauf von Altgold aus Privatbeständen. Die Masse an Anfragen legte den Geschäftsbetrieb lahm. Die Rekordjagd des Metalls bringt immer mehr Menschen dazu, in Schubladen und Schatullen nach alten Goldketten, Ringen oder Zahnkronen zu suchen. „Das lohnt sich jetzt eben wieder“, sagt der Münchner Juwelier Robert Rehm. Experten schätzen, dass in deutschen Schubläden rund 25 Tonnen Altgold schlummern. Der hohe Goldpreis bringt sie nach und nach ans Licht.
In alten Kommoden nach Gold zu wühlen – auf die Idee allerdings würde Peter Ossenkopf nie kommen. Er sucht sein kleines Gold-Glück lieber in freier Natur. Sein nächstes Projekt steht schon fest: In der Nähe seines Heimatortes Freiberg fließt die Striegis. Den 50 Kilometer langen Fluss will Ossenkopf einmal von der Quelle bis zu Mündung durchwaschen. Wie viel Gold er hofft, darin zu finden? „Das ist nicht wichtig“, sagt er. „Wenn’s nur ab und zu ein bisschen in der Pfanne glitzert – das reicht schon aus, um mich glücklich zu machen.“
„Mythos Gold“ ist erschienen im Hirmer Verlag, München. Deutsche Schürfer im Internet unter www.goldsuchervereinigung.de
ANDREAS JALSOVEC
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