Gelder aus dem Konjunkturpaket? Gibt's nur für Firmen, die sie nicht brauchen
Bürokratische Hürden, Daumenschrauben der Banken: Bayerische Unternehmen kommen nicht an die Hilfsgelder der Regierung heran
MÜNCHEN Die Krise kam im Januar, mit Auftragseinbrüchen von bis zu 40 Prozent. Der 80 Beschäftigte starke High-Tech-Betrieb von Sabine L. im Norden Münchens meldete Kurzarbeit an. Mit einer Eigenkapitalquote von 40 Prozent stand die Firma glänzend da, trotzdem wurde das Geld knapp. Doch wozu gab es die beiden Konjunkturpakete des Bundes? 400000 Euro Staatskredit, dachte Sabine L., könnten das Überleben sichern.
40 Milliarden Euro Sonderkredite – so viel Geld hat Berlin Firmen zugesagt. Doch Sabine L. biss auf Granit, als sie das Versprechen einlösen wollte. Sie ist kein Einzelfall: Unsinnige Hürden drohen das Hilfsprogramm ad absurdum zu führen. Bisher gingen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau erst Anträge über 2,4 Milliarden Euro ein.
Die Hausbank nutzte die Gelegenheit für kaum erfüllbare Forderungen
Wie alle Firmenchefs musste Sabine L. den Kredit über die Hausbank beantragen. Die nutzte die Gelegenheit für einen Kassensturz: Man werde den Antrag nur weiterleiten, wenn Sabine L. zusätzliche Sicherheiten beibringe, hieß es. Die Banker forderten, auch einen lange bestehenden Überziehungskredit über 200000 Euro neu zu besichern. Sabine L. selbst und drei weitere Gesellschafter sollten für den Kontokorrent- und den Staatskredit mit insgesamt 1,8 Millionen Euro bürgen. Zusätzlich sollte jeder der vier Bürgen eine Lebensversicherung zugunsten der Bank abschließen. Zuguterletzt beschlossen die Banker, den Kontokorrentkredit in zwei Jahren zu beenden.
Pure Erpressung? Offensichtlich ist Sabine L.’s Firma kein Einzelfall. Semir Fersadi leitet bei der Industrie- und Handelskammer das Referat Finanzierung und Krisenmanagement. Um die 40 Unternehmen erkundigen sich pro Woche nach den vergünstigten Krediten. Viele Firmenchefs sind nach kürzester Zeit entmutigt, berichtet Fersadi.
„Durch den Mittelstandsschirm gehen die Risiko-Kosten für die Banken um bis zu 90 Prozent zurück“, sagt er. Trotzdem bewerten die Institute die Sicherheiten oft mit gnadenloser Strenge. Immobilien, deren Wert im Lauf der Krise sank, zu teuer eingekaufte Maschinen? Ein Ausschlussgrund für penible Sachbearbeiter. Auch wenn der Verdacht bestehe, neben der Finanzkrise könnten Management-Fehler an gesunkenen Erträgen schuld sein, werde der Daumen gesenkt.
Nur perfekt durchfinanzierte Firmen haben eine Chance
„Die Institute suchen nach den Perlen unter den gefährdeten Unternehmen“, vermutet Fersadi. Der perfekte Betrieb mit dem einwandfreien Kostenmanagement und guter Ertragsprognose, der nur vorübergehend von der Krise berührt wurde – eine Idealvorstellung, in der Realität aber selten anzutreffen. Und sollte eine Firma tatsächlich diese Voraussetzungen erfüllen, darf sie nicht schon in der ersten Jahreshälfte 2008 Probleme gehabt haben. Auch das ist nämlich ein Ausschlussgrund für einen Krisenkredit. Ganze Branchen, etwa der Einzelhandel, fallen damit fast automatisch durchs Raster.
Dann die Rückzahlungsziele: So genannte Betriebsmittelkredite der KfW aus dem Sonderprogramm müssten nach drei tilgungsfreien Jahren innerhalb dreier weiterer Jahre zurückgezahlt werden, berichtet Fersadi. „Gesetzt den Fall, die Krise dauert noch eineinhalb Jahre, hat das Unternehmen 18 Monate, um genügend Geld für die Rückzahlung zu erwirtschaften“, rechnet der IHK-Fachmann vor. Ein Zeitplan, der viele Firmen überfordern dürfte.
Sabine L. jedenfalls hat vorerst die Hoffnung auf Hilfe aufgegeben. Ihr Betrieb werde überleben, sagt sie. Allerdings hat sie schon erste Kündigungen ausgesprochen. sun
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