Geldanlage in Zeiten des Zins-Tiefs
MÜNCHEN Zuerst die gute Nachricht: Die aktuelle Inflationsrate ist mit 1,0 Prozent so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Die Preise sind also stabil. Jetzt die schlechte Nachricht: Wer hierzulande sein Erspartes anlegt, bekommt oft nicht einmal diese mickrigen 1,0 Prozent als Zinsen zugestanden.
Eine aktuelle Auswertung des Finanzportals biallo.de aus 143 Anbietern von Festgeld und Sparbriefen in Deutschland zeigt, dass die Geldhäuser ihren Kunden im Schnitt gerade einmal 0,86 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie ihr Erspartes dort für zwei Jahre festlegen. Die Inflationsrate liegt deutlich höher.
Der Geldanlageexperte Peter Weißenberg vom Finanzportal biallo.de kommt zu dem Schluss: „Wer zum durchschnittlich angebotenen Zins Geld länger anlegt, wird in reale Geldvernichtung getrieben.“ Denn für 10.000 Euro kommen nach zwei Jahren gerade einmal 172 Euro Zinsen heraus. „Wer zu solchen Minizinsen abschließt, dessen Kapital hat selbst mit Zinsen nach zwei Jahren weniger Kaufkraft als vorher“, sagt Finanzexperte Weißenberg.
Die Banken in München zeigen sich nach einer Auswertung für die AZ überdies oft noch geiziger bei der Geldanlage: Bei der PSD-Bank München sind es zwar noch vergleichsweise großzügige 0,90 Prozent Zinsen für das zweijährige Festgeld. Die Sparda München zahlt gerade mal die Hälfte, die Münchner Bank mit 0,40 Prozent noch weniger. Und die Stadtsparkasse München bietet beispielsweise gar nur 0,25 Prozent Zinsen auf einen zwei Jahre laufenden Sparbrief.
Die besten Konkurrenten liegen dagegen bei 1,95 Prozent Zinsen – nach zwei Jahren erhält der Anleger also fast achtmal mehr Zinsgewinn. Auf der Suche nach den besten Angeboten lohnt sich ein Blick ins Internet: Die AZ vergleicht die Konditionen tagesaktuell unter www.abendzeitung-muenchen.de/finanzrechner.
Die meisten Kleinsparer in München legen aber ihr Geld immer noch zu Minizinsen an. Hohe Summen liegen sogar auf Sparbüchern. Dort wird fast gar kein Zins mehr gezahlt. Dahinter steckt massive Verunsicherung der Geldanleger – angeheizt durch düstere Prophezeiungen wie die des Commerzbank-Chefs Martin Blessing.
Der warnte gerade vor einer möglichen Überhitzung an den Finanz- und Immobilienmärkten. Zu Deutsch: Wer jetzt eine Wohnung in München, Hamburg oder Berlin kauft, bekommt in ein paar Jahren womöglich wesentlich weniger Geld zurück – falls er verkaufen will oder muss. „Neue spekulative Übertreibungen" nennt Blessing die Gefahr.
Der Großbanker weiß, wovon er redet: Sein eigenes Geldhaus hat sich schließlich in der Finanzmarktkrise 2009 derart verhoben, dass der Steuerzahler es mit Milliarden retten musste. Die Bank ist bis heute teilweise im Besitz des Staates. Blessing rechnet damit, dass der Leitzins der Europäischen Zentralbank für den Euroraum niedrig bleiben wird. Sogar eine weitere Absenkung ist unter den mächtigsten Zentralbankern Europas im Gespräch. Das soll schwächelnden Firmen in Südeuropa helfen, sich billiger Geld für einen Aufschwung zu beschaffen. Die Zeche zahlt der Kleinsparer.
Und auch den Anlegern im wichtigsten Geldanlageprodukt der Deutschen droht Ungemach: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) fürchtet, dass Lebensversicherer Probleme bekommen könnten, ihre Zinszusagen an die Kunden einzuhalten, wenn die Zinsen für sichere Wertpapiere so niedrig bleiben. Mit den Renditen – zum Beispiel aus Staatsanleihen – sichern die Versicherungen nämlich über Jahrzehnte die garantierten Rückzahlungen der Verträge ab.
Der BaFin-Chefaufseher für Versicherungen, Felix Hufeld, glaubt zwar nicht daran, dass massenhaft Versicherungen Probleme bekommen könnten. Wer aber unrentabel angelegt habe, große Kosten etwa durch ein Heer von Vertretern mit sich schleppe und dazu bei alten Verträgen den Kunden noch teure Garantien versprochen habe, der könnte „größere Aufgaben vor sich haben“, so Hufeld.
Im Klartext: Die Rückzahlung wackelt – wenn nicht wieder Vater Staat den Firmen hilft. Die Bundesregierung erarbeitet derzeit schon ein Hilfspaket. Und wer bezahlt das? Der Sparer in dieser Anlageform. Denn er wird wohl per Gesetzesreform eine geringere Ausschüttung sogenannter Bewertungsreserven aus der Lebensversicherung bekommen. Und auch die staatlich garantierten Mindestzinsen auf Lebensversicherungen könnten noch niedriger ausfallen als jetzt schon. Nur noch 1,25 Prozent sind im Gespräch. Vor 15 Jahren waren es noch 4,0 Prozent.