Geisterautos sollen die Umwelt retten

In Brüssel wird an Formeln getüftelt, um die CO2-Emissionen der Pkw herunterzurechnen. Deutschland ist dabei besonders forsch. Berlin will die Hersteller von Spritfressern schützen
Susanne Stephan |
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BRÜSSEL/BERLIN Darf’s nicht doch ein bisschen mehr sein? In der EU sollen im Jahr 2015 Neuwagen im Schnitt nur noch 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen – so will es die Politik. Weil sich die deutschen Hersteller davon überfordert sehen, dringt Berlin auf neue Berechnungsmethoden, die den Kohlendioxid-Ausstoß auf dem Papier niedriger erscheinen lassen.

"Supercredits" für Elektroautos. Gestern verhandelten Vertreter von EU-Staaten, Europaparlament und EU-Kommission darüber. Der Knackpunkt sind die sogenannten „Supercredits“. Mit diesem Begriff werden Boni für Elektroautos und Hybride mit Elektroantrieb und Verbrennungsmotor bezeichnet. Der Verband der Deutschen Automobilindustrie macht bei Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel Druck, um der Industrie möglichst viele Supercredits zu sichern. Dazu ließen sich die Lobbyisten einige Tricks einfallen – die auf EU-Ebene wohl von der Politik übernommen werden.

Trick Nummer eins: Jedes Elektroauto wird so behandelt, als würde es gar kein Treibhausgas verursachen – dabei stammt der Strom, mit dem die Batterie geladen wird, in aller Regel zu einem beträchtlichen Teil aus Kohle- oder Gaskraftwerken. Realistisch wäre es angesichts des Strommixes in Deutschland, für die Verbräuche von Elektroautos den Spritverbrauch vergleichbarer Pkw mit Verbrennungsmotor anzusetzen, argumentiert die Deutsche Umwelthilfe.

Trick Nummer zwei: „Deutschland dringt jetzt darauf, dass jedes Elektro- oder Hybridfahrzeug mit dem Faktor drei in die Berechnung der CO2-Verbräuche einfließt“, sagt Urs Maier, Verkehrsexperte bei der Umwelthilfe. „Für jedes reine Elektroauto könnten demnach drei Autos mit einem Ausstoß von 190 Gramm CO2 verkauft werden – der Schnitt wäre immer noch 95 Gramm CO2.“ Aus eins mach drei – die Geisterautos sollen den Herstellern zu einer grüneren Schadstoffbilanz verhelfen.

Trick Nummer drei: Er ist schon Jahrzehnte alt. Die Hersteller geben die Verbräuche (und damit die Emissionen) ihrer Pkw zu niedrig an – automatisch sinkt (auf dem Papier) der CO2-Ausstoß.

Die deutschen Hersteller, besonders Daimler, Audi und BMW, machen außerdem geltend, ihre Fahrzeuge dürften nicht mit Kleinwagen wie dem Fiat Punto in einen Topf geworfen werden. Das werden sie allerdings sowieso nicht: Die 130-Gramm-Zielmarke der EU ist ein Durchschnittswert – für Hersteller von größeren und schwereren Autos gelten höheren Grenzwerte, gibt Maier zu bedenken. Anstelle der Trickserei in Brüssel wünscht er sich eine nach CO2-Ausstoß gestaffelte Kfz–Steuer – dann hätten auch sparsame Gasfahrzeuge eine echte Chance. sun

 

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