Gefahr für den Sozialstaat: Wie soll’s weitergehen mit Hartz IV?

Mit seinem Keifen gegen Hartz-IV-Empfänger übertönt FDP-Chef Guido Westerwelle eine wichtige politische Debatte. Sie lautet: Wie soll’s weitergehen mit Hartz IV? Wovon bezahlen wir das? Wie ist unser Sozialstaat zu retten?
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Finanziert bald jeder Arbeitnehmer einen Empfänger von Sozialleistungen?
dpa Finanziert bald jeder Arbeitnehmer einen Empfänger von Sozialleistungen?

MÜNCHEN - Mit seinem Keifen gegen Hartz-IV-Empfänger übertönt FDP-Chef Guido Westerwelle eine wichtige politische Debatte. Sie lautet: Wie soll’s weitergehen mit Hartz IV? Wovon bezahlen wir das? Wie ist unser Sozialstaat zu retten?

Warum ist unser Sozialstaat überhaupt in Gefahr? Das Verhältnis von Erwerbstätigen und Empfängern von Sozialleistungen droht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Sozialökonomin Waltraut Peter vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat die Entwicklung von Sozialleistungsbezug und Erwerbstätigkeit berechnet. Wie man bereits in der obigen Grafik sieht: Die Kurven von Sozialleistungsempfängern und Erwerbstätigen (bezogen auf die Gesamtbevölkerung) nähern sich seit Jahren bedrohlich an.

Im Jahr 2007 deckte bereits jeder siebte Deutsche im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 64 Jahren seinen Lebensunterhalt ganz oder teilweise mit staatlicher Hilfe ab. Also mit Sozialgeld, Arbeitslosengeld II, Grundsicherung, Bafög, Wohn- oder Elterngeld. Anfang der 90er galt das nur für jeden Zehnten.

Welche Rolle spielt der demografische Wandel? Die deutsche Gesellschaft wird immer älter. Wenn man nun die Rentner, die ja auch staatliche Transferleistungen erhalten, in die Statistik mit hineinrechnet, wird das Szenario noch drastischer: Dann erhalten 42,4 Prozent Sozialleistungen – in ein paar Jahren wird also fast jeder zweite Wahlberechtigte vom Staat unterstützt. Eine riesige Lobby, vor der natürlich auch die Politik zittert.

Natürlich haben die meisten Rentner ihr Leben lang in Sozialkassen eingezahlt und mehr geleistet als zum Beispiel ein junger Hartz-IV-Empfänger, der noch nie gearbeitet hat. Aber Fakt ist: Weil immer weniger Erwerbstätige bereits eine große Zahl an Rentnern finanzieren, wiegt die Zahl der zusätzlichen Sozialleistungsempfänger umso schwerer.

Was bedeutet das? Wenn irgendwann die eine Hälfte der Deutschen Sozialhilfe bekommt und die andere Hälfte arbeiten geht, finanziert ein Arbeitender einen Sozialhilfeempfänger. Gleichzeitig werden wir immer älter und leben immer länger, beziehen also auch länger Rente. Irgendwann kippt dann das Gleichgewicht und einer großen Anzahl Nicht-Arbeitender steht ein kleinerer Teil Arbeitender gegenüber. Diese können über ihre Steuern die steigenden Sozialausgaben aber nicht mehr finanzieren.

Wie absurd die Debatte irgendwann wird, zeigen zum Beispiel Zahlen zur Finanzierung der Kopfpauschale, die das Bundesfinanzministerium vor kurzem ausgerechnet hat. Der Sozialausgleich, mit dem grobe Ungerechtigkeiten der Kopfpauschale gedämpft werden sollen, soll bis zu 35 Milliarden Euro Steuergeld kosten. Um das zu finanzieren, käme man auf den wahnwitzigen Steuersatz von 100 Prozent. Dann geht wohl niemand mehr arbeiten. Annette Zoch

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