G20-Finanzminister einigen sich auf Alarmschwellen
Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) haben nach jahrelangem Streit eine weitere Hürde auf dem Weg zu einer krisenfesteren Weltwirtschaft genommen.
Washington - Die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 einigten sich am Freitag (Ortszeit) in Washington auf konkrete Schritte zum Kampf gegen die globalen Ungleichgewichte unter anderem in den Handelsbilanzen der Staaten.
Die G20 vereinbarten Alarmschwellen, um bei einzelnen Ländern Schieflagen rechtzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu empfehlen. Auf den Prüfstand kommt angesichts der massiven Handelsüberschüsse voraussichtlich auch die Exportnation Deutschland. Betroffen sein dürften aber auch andere große Volkswirtschaften.
Die französische Finanzministerin Christine Lagarde sagte nach dem G20-Treffen:. "Das ist ein wichtiger Schritt". Das jetzt auf den Weg gebrachte Verfahren sei ein sehr objektiver Prozess, bei dem die Länder "durch einen Filter laufen".
Im Februar hatten sich die G20 in Paris bereits auf Indikatoren verständigt, an denen Ungleichgewichte fest gemacht werden. Dazu gehören neben Defiziten oder Überschüssen in der Handels- und Kapitalbilanz Staatsschulden und öffentlichen Defizite sowie die private Sparquote und Verschuldung. Konkrete Zielvorgaben gibt es nicht. Die angepeilten Alarmschwellen sind als Referenzwerte gedacht.
Welche G20-Länder in dieser zweiten Phase auf den Prüfstand kommen, wurde zunächst zwar offen gelassen. Es wird aber erwartet, dass neben Deutschland auch China, Japan, die USA und Frankreich unter die Lupe genommen werden. Laut Lagarde stehen sieben Volkswirtschaften allein wegen ihrer Größe besonders im Fokus. Die Empfehlungen zum Abbau von Schieflagen schließlich umzusetzen, sei dann Sache der jeweiligen Staats- und Regierungschefs. "Ich hoffe, es ist dann genug guter Wille vorhanden", sagte Lagarde.
In der G20-Erklärung heißt es, es gehe dabei um Länder, auf die jeweils mehr als fünf Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Gruppe der G20 entfallen. Aus dem US-Finanzministerium verlautete, analysiert würden aber alle Mitglieder der Staatengruppe. Mit einer Liste wird im Oktober gerechnet - vor dem G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Anfang November im französischen Cannes.
Unter den G20-Staaten habe es eine "wirklich breite Übereinstimmung" gegeben, sagte eine Spitzenbeamtin des US-Finanzministeriums. Aus Sicht der USA handele es sich um "einen großen Schritt vorwärts". Chinas Zustimmung zeige außerdem "eine größere Offenheit (Pekings) gegenüber einem gegenseitigen Überprüfungsprozess", sagte die Ministeriumsbeamtin.
Finanzminister Wolfgang Schäuble und der scheidende Bundesbankchef Axel Weber hatten vor der Konferenz eine ausgewogene Debatte angemahnt. Sollten die Überschüsse in der deutschen Leistungsbilanz ins Blickfeld geraten, werde man deutlich machen, dass sie Ergebnis der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen seien und nicht Folge einer unterbewerteten Währung, sagte Schäuble. Weber forderte, sich nicht nur auf Deutschland zu konzentrieren, sondern die Euro-Zone als Ganzes zu betrachten.
Nach Einschätzung der G20 gewinnt die wirtschaftliche Erholung an Breite und ist zunehmend selbsttragend. Allerdings gebe es weiter Risiken, unter anderem wegen der jüngsten Ereignisse im Nahen Osten, Nordafrika und Japan. "Die Rohstoffpreise stehen unter wachsendem Druck", heißt es in dem G20-Kommuniqué. Die Staatengruppe forderte mehr Transparenz auf den entsprechenden Märkten, sei es für Derivate oder physische Rohstoffe. Regulierung und Überwachung müssten verstärkt werden.