Freie Verpackungsgrößen: Die neue Preisfalle

Preiserhöhungen von bis zu 100 Prozent: Mit den ab Ostersamstag geltenden freien Verpackungsgrößen können Hersteller kräftig die Preise erhöhen. Experten warnen schon vor vielen Mogelpackungen.
von  Abendzeitung
Einkaufen bis spät abends? Das fordert der Einzelhandelsverband.
Einkaufen bis spät abends? Das fordert der Einzelhandelsverband. © dpa

Preiserhöhungen von bis zu 100 Prozent: Mit den ab Ostersamstag geltenden freien Verpackungsgrößen können Hersteller kräftig die Preise erhöhen. Experten warnen schon vor vielen Mogelpackungen.

Wieviel wiegt eine Tafel Schokolade? Na klar: 100 Gramm. Bislang jedenfalls. Das könnte sich aber bald ändern: Dann sind es vielleicht 97 Gramm. Oder 86. Oder jede andere beliebige Zahl. Hintergrund: Ab Ostersamstag wird in Deutschland eine EU-Richtlinie umgesetzt. Feste Verpackungsgrößen gibt es dann so gut wie nicht mehr.

Verbraucherschützer befürchten Nachteile für die Kunden. Sie werden verstärkt „mit versteckten Preiserhöhungen hinters Licht geführt“, meint Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen:

Warum gibt es die EU-Richtlinie? Lange Zeit durften viele Produkte in Europa nur in festgelegten Verpackungsgrößen verkauft werden. Milch etwa in Größen zu 0,5-Liter, 0,75-Liter und 1-Liter. Auch für Schokolade gab es feste Vorgaben.

Weil jedes Land andere Größenvorgaben hatte, schaffte die EU schrittweise die festen Packungsgrößen ab. Jetzt sind die letzten Produktgruppen dran: Neben Milch und Schokolade auch Mineralwasser, Limonade, Fruchtsäfte Zucker. Nur bei Wein, Sekt und Spirituosen gibt es weiterhin feste Größenvorgaben.

Was gilt künftig? Die Hersteller können ab sofort jedes Produkt in beliebiger Menge abpacken – mit Ober- und Untergrenzen. Limo, Wasser, Milch oder Bier kann es zwischen 0,005 bis 10 Liter in jeder Größe geben – also zum Beispiel Bier in der 0,4-Liter-Flasche oder Milch im 0,9-Liter-Tetrapak. Schokolade darf zwischen 85 Gramm und 500 Gramm in jeder Größe verkauft werden – also auch als 86-Gramm-Tafel. Es werden aber nicht sofort neue Produkte ins Regal kommen. „Hersteller und Handel müssen sich erst umstellen“, sagt Andrea Danitschek von der Verbraucherzentrale Bayern.

Was blüht den Kunden jetzt? Verbraucherschützer befürchten: Es wird eine neue Welle von Mogelpackungen geben. Soll heißen: Die Firmen schieben den Verbrauchern veränderte Packungsgrößen unter. Das Fiese dabei: Das Aussehen der Packungen ändert sich kaum, der Preis bleibt meistens gleich – es ist aber weniger in der Packung drin. So verstecken die Hersteller zum Teil drastische Preiserhöhungen. „Dass die Schokolade nur noch 95 Gramm wiegt, erkennt der Verbraucher erstmal gar nicht“, sagt Andreas Danitschek. Denn er greift gewohnheitsmäßig zum Produkt, ohne genau hinzusehen.

Was sagt der Handel? Er begrüßt die neue Verpackungs-Freiheit. Das führe zu mehr Produktvielfalt, heißt es beim Einzelhandelsverband. Die Hersteller könnten jetzt Produktgrößen speziell für Rentner oder Singles anbieten.

Wie wahrscheinlich sind versteckte Preiserhöhungen? Sie werden ganz sicher kommen, glaubt Verbraucherschützer Armin Valet. Die bisherigen Größenfreigaben hätten die Hersteller stets zum Nachteil der Verbraucher genutzt. „Geringere Füllmenge bei gleichem Preis – das gibt es bereits bei vielen Produkten.“ Die Verbraucherzentrale Hamburg hat Fälle in einer schwarzen Liste der Mogelpackungen gesammelt. Die Tabelle umfasst einige Beispiele. Die gesamte Liste umfasst 21 Seiten.

Andreas Jalsovec

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.