Frauen zahlen mehr!

Ob beim Friseur oder bei der Reinigung – Frauen müssen im Alltag oft mehr löhnen als Männer. Dabei verdienen sie fast 23 Prozent weniger. Wo es für Frauen mehr kostet, zeigt die AZ.
München - Frauen verdienen fast 23 Prozent weniger als Männer. Nur etwa 46 Prozent von ihnen bekommt Urlaubsgeld – bei den Männer sind es über 56 Prozent. Und Weihnachtsgeld erhalten Frauen mit 53 Prozent weniger oft als Männer (56 Prozent, siehe auch Seite 7). Zahlen, die verärgern. Das größte Ärgernis ist allerdings, dass Frauen fast überall weniger Geld verdienen, im Alltag aber mehr zahlen müssen. Die AZ zeigt, wo Frau warum tiefer in die Tasche greifen muss als Mann:
Friseur: Warum zahlen Frauen mit Kurzhaarschnitt mehr als Männer mit vergleichbarer Schopf-Optik? Für waschen, legen, föhnen zahlen Frauen bei einem Friseurladen 22 Euro (langes Haar 25 Euro) – Männer nur zehn bis 18 Euro. Bei den Schnitten ist die Preisdifferenz ähnlich. „Das ist historisch bedingt“, sagt Dieter Schöllhorn, Friseur-Vizeweltmeister und Creativdirektor beim bayerischen Friseurhandwerk-Verband. „Früher waren Damen- und Herrenfriseure getrennt – Männer gingen alle zwei Wochen zum Stutzen und mal zum Rasieren.“ Die Preise waren dementsprechend unterschiedlich. „Ungefähr ab den 70er Jahren gab’s dann Unisex-Salons – die Preiskluft blieb“, sagt Schöllhorn.
„Mittlerweile haben sich die Preise schon angeglichen – ein Unterschied bleibt dennoch.“ Obwohl gerade bei kurzen Männerhaaren der Schnitt sitzen muss und so die Arbeit komplizierter ist. „Schauen Sie sich Mario Gomez an. Der hat einen Stilmix aus langen und kurzen Haaren – das muss perfekt geschnitten sein“, sagt Schöllhorn. Bei Frauen sei das nicht so. Trotzdem zahlen sie mehr. Das Problem: „Die Mehrzahl der Männer würde eine Preissteigerung nicht akzeptieren – sie sind ihre Preise gewohnt.“
Reinigung: Bis zu 100 Prozent Aufschlag muss Frau hier oft zahlen. „Zu recht“, sagt Volker Weiss, Geschäftsführer der Textilpflege-Firma MKF. „Blusen sind in der Behandlung aufwändiger.“ Während ein Hemd auf professionellen Bügelpuppen rund eine Minute zum Trocknen und Bügeln braucht, dauert’s bei der Bluse länger. „Sie sind vom Schnitt nicht einheitlich und haben oft Extra-Abnäher, Schluppen und so weiter – das muss händisch nachgearbeitet werden, was bis zu fünf Minuten pro Bluse dauert“, erklärt Weiss. „Heißt: Nicht nur der Energieaufwand, sondern auch die Arbeitszeit und der Personalaufwand sind höher.“
Argumente, die allerdings nicht gelten, wenn Hemd und Bluse vom Schnitt und Stoff ähnlich sind. Das sieht auch das Team von den Kingsgard-Wäschereien so – hier zahlen Männer und Frauen 2,30 Euro.
Boutiquen: Hier kosten Blusen bis zu 20 Prozent mehr als Hemden. Warum? „Dafür gibt es mehrere Gründe“, sagt Gerd Oliver Seidensticker, Chef der Firma Seidensticker und Präsident des Industrieverbands „GermanFashion“. „Zum einen ändern sich Blusenschnitte häufiger als die Schnitte der Hemden.
Zum anderen wechseln die Trends bei Blusen schneller als bei Hemden, gerade was Stoffe und Kombinationen angeht.“ Blusen sind zudem komplizierter in der Fertigung und werden in kleineren Stückzahlen produziert – das ist kostenintensiver, sagt Seidensticker. Und: „Frauen gefällt eine schöne Präsentation ihrer Mode im Geschäft – Platz kostet Geld.“
Haarige Gerechtigkeit gibt’s aber beim „Waxing“. Hier leiden und zahlen Männer mehr. So kostet das Augenbrauen-Zupfen bei „Wax in the City!“ in München 15 Euro – Frauen zahlen zehn Euro. Geht’s an die Beine, müssen Männer 36 Euro blechen, Frauen 30 Euro. Warum? Männer haben stärkeres Haar und die Fläche, die enthaart wird, ist größer.
Bei den Rasierer-Herstellern scheint das aber noch nicht angekommen: Für den Wilkinson Sword löhnen Männer 3,49 Euro – Frauen 9,29 Euro.
Männer kaufen, Frauen shoppen
Männer und Frauen kaufen unterschiedlich ein – das beweist auch eine US-Studie. 1250 Menschen wurden dazu befragt – Fazit: Männer kaufen, Frauen shoppen. Weil seit Jahrzehnten der Einkauf Frauensache ist, verkümmerte das „erlebnisorientierte Shoppen“ bei Männern. Sie wollen schnellstmöglich das Geschäft wieder verlassen. Einzige Ausnahme: Im Baumarkt können Männer ein ähnlich befriedigendes Shoppingerlebnis wie Frauen im Schuhladen haben.
Eine andere US-Studie nimmt an, dass sich das Erbe der Menschheitsgeschichte im unterschiedlichen Kaufverhalten der Geschlechter widerspiegelt. Heißt: Während Frauen mit Bedacht „sammeln“, stürzen sich Männer gemäß ihres Jagdtriebes aufs nächstbeste Produkt, kaufen es und laufen zufrieden heim.
„Das ist Diskriminierung“
Frauen müssen fürs Schönsein blechen – das geht nicht, sagt die Expertin
Frau Helwerth, Frauen verdienen weniger, zahlen im Alltag aber mehr als Männer – pure Diskriminierung?
ULRIKE HELWERTH: Das sind in der Tat zwei krasse Diskriminierungstatbestände. Warum Frauen bei Dienstleistungen mehr zahlen, ist nicht nachzuvollziehen. Ich vermute, dass Frauen fürs „Schönsein“ mehr löhnen müssen.
Was kann Frau gegen unverschämte Preisschilder tun?
Skandalisieren. Die Gesellschaft muss auf solche Missstände aufmerksam gemacht werden – immer wieder. Frauen selbst sollten beim Friseur zum Beispiel Preise verhandeln. Wenn Kurzhaarschnitte für Frauen mehr kosten als ein Herrenschnitt, dann muss das triftig begründet werden. Oder die Kundin steht auf und geht.
In Kalifornien ist das sogenannte Gender-Pricing, das geschlechtsbezogene Auszeichnen von Produkten oder Dienstleistungen, verboten – eine Lösung für Deutschland?
Klingt interessant – das sollte man weiter verfolgen und mit Verbraucherschutzorganisationen oder der Antidiskriminierungsstelle bereden. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass sich Unisex-Tarife bei Versicherungen durchgesetzt haben. Lange genug dafür gekämpft haben wir ja.
Einen Anfang gegen Entgeltdiskriminierung macht der „Equal Pay Day“, den der Deutsche Frauenrat seit Jahren unterstützt.
Ja, und der wird immer populär. Es gibt Geschäfte, die diesen Tag unterstützen, in dem sie Frauen einen Preiserlass in Höhe der aktuellen Entgeltlücke gewähren. Sie liegt in diesem Jahr bei 22 Prozent. Der nächste Equal Pay Day ist daher am 21. März 2013 – weil Frauen exakt bis zu diesem Tag arbeiten müssten, um auf das durchschnittliche Gehalt des Vorjahres eines Mannes zu kommen.