Interview

Frauen und Geld: "Einkommenslücke, Investmentlücke, Rentenlücke!"

Am Dienstag ist Weltfrauentag: Zwei Finanzexpertinnen erklären in ihrem neuen Buch, wie es ihnen gelingt, finanziell unabhängig zu bleiben und gleichzeitig Geld für das Alter anzulegen.
Leonie Fuchs |
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Gar nicht so lange ist es her, da wurden Frauen noch komplett vom Geld ferngehalten. Gerecht geht es auch heute noch nicht zu.
Gar nicht so lange ist es her, da wurden Frauen noch komplett vom Geld ferngehalten. Gerecht geht es auch heute noch nicht zu. © imago images/Shotshop

München - AZ-Interview mit Helma Sick und Renate Fritz: Helma Sick hat 1987 die Münchner Finanzberatung Frau & Geld gegründet. Sie und Renate Fritz beraten Frauen zur Vermögensplanung und Altersvorsorge.

AZ: Frau Sick, Frau Fritz, warum brauchen gerade Frauen ein Finanzratgeber-Buch?
HELMA SICK: Weil sie eine andere Lebenssituation als Männer haben, wie die Geschichte zeigt: Bis 1962 durften Frauen nicht einmal ein eigenes Konto besitzen, sie wurden vom Geld ferngehalten. Bis 1977 konnte der Mann seiner Frau den Job kündigen, wenn er mit ihrer Haushaltsführung nicht einverstanden war. Auch heute steigen überwiegend Frauen wegen der Kinder aus dem Beruf aus, arbeiten viel zu lange in Teilzeit oder Minijobs.

Helma Sick, Finanzexpertin aus München
Helma Sick, Finanzexpertin aus München © Quirin Leppert

"Beide Ehepartner sollten sich selbst versorgen können"

Im Buch sprechen Sie die Shell-Jugendstudie 2019 an. Darin geben 58 Prozent der männlichen und 56 Prozent der weiblichen Jugendlichen an, dass es gut wäre, wenn der Mann der Alleinverdiener wäre. Ist das ein Rückschritt?
SICK: Das ist Fünfziger-Jahre-Mief! Wie kommen die jungen Leute heutzutage auf solche Ansichten? Ich wäre fast vom Stuhl gefallen, als ich das zum ersten Mal gelesen habe - ich war entsetzt.

Sie halten bundesweit den Vortrag "Ein Mann ist keine Altersvorsorge", warum ist er es nicht?
SICK: Wieso sollte ein anderer Mensch die eigene Altersvorsorge sein? Jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden, in Großstädten sogar jede zweite. Jeder der Partner sollte deshalb für sich selbst sorgen können.
RENATE FRITZ: Abhängigkeit ist einfach kein erstrebenswerter Zustand. Es gehört zur Würde des Menschen dazu, freie Entscheidungen treffen zu können. Zu einem sorgenfreien Leben gehört finanzielle Unabhängigkeit.

Renate Fritz, Finanzexpertin aus München
Renate Fritz, Finanzexpertin aus München © Quirin Leppert

Ist heiraten noch zeitgemäß?
SICK: Solange eine Ehe wirtschaftliche Vorteile hat, wäre es für jede Frau von Nachteil, nicht zu heiraten. Im Falle einer Trennung besteht ja der Anspruch auf Zugewinn- und Versorgungsausgleich - immerhin eine kleine finanzielle Entschädigung.

Jedes kleinste Detail sollte vertraglich geregelt werden

Ehevertrag: ja oder nein?
SICK: Unbedingt ja! Bei den von uns gedachten Eheverträgen geht es um Konfliktvermeidung. Deshalb sollte darin alles bis in das kleinste Detail geregelt werden: Wollen wir ein Kind? Wer bleibt zu Hause? Wie wird die Rentenlücke, die dadurch entsteht, ausgeglichen? Wer macht wie viel im Haushalt?

Im Haushalt?
SICK: 80 Prozent der Hausarbeit wird nach wie vor von Frauen gemacht, auch wenn sie berufstätig sind. Stellen Sie sich das mal vor! Das geht gar nicht. Das führt zu Überforderung und im schlimmsten Fall zu Burnout. Deshalb raten wir dazu, auch diese Dinge schriftlich festzuhalten.

Und wer nicht heiraten will?
SICK: Frauen in nichtehelichen Beziehungen sollten unbedingt einen Partnerschaftsvertrag machen, ganz besonders wenn sie wegen der Familie aus dem Beruf ausgestiegen sind. Denn sie haben, anders als Ehefrauen, keinerlei Absicherung, falls die Beziehung auseinandergeht oder der Partner vor ihr stirbt. Weil das so wichtig ist, gibt es in unserem Buch Muster eines Ehevertrags und eines Partnerschaftsvertrags.

Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen.
Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen. © dpa

"Die gesetzliche Rente ist nur noch eine Basisabsicherung"

Stichwort Partnerschaft und Kind: Was gilt es zu beachten?
SICK: Wer bleibt zu Hause? Können wir uns die Elternzeit teilen? Solche Fragen gehören unbedingt vor der Familienplanung geklärt. Fast 70 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiten in Teilzeit und nur sechs Prozent der Männer! Väter können genauso gut Kinder betreuen wie Mütter. Es muss aufhören, dass überwiegend die Frauen sich um Kinder kümmern, alte Menschen pflegen und ihre Erwerbstätigkeit aufgeben. Sie haben deshalb kein eigenes Geld, steigen im Beruf nicht auf und erhalten dann eine minimale Rente.

Was raten Sie Frauen, die in Teilzeit arbeiten möchten?
SICK: Wenn das der gemeinsame Wunsch des Paares ist, sollte mit dem Partner verabredet werden, dass er für seine Frau solange in eine Altersvorsorge einzahlt.

56 Prozent der Frauen bekommen später weniger Rentengeld als die Männer. Sie sind auch häufiger von Altersarmut betroffen. Warum?
FRITZ: Die drei Hauptgründe sind: Sie arbeiten gar nicht oder weniger und nehmen dauerhaft Mini- oder Teilzeitjobs an. Zweitens verdienen viele Geld im Niedriglohnsektor. Und drittens gehen Frauen häufiger vorzeitig in den Ruhestand. Wir haben hierzulande ein einkommensbasiertes Rentensystem. Die gesetzliche Rente ist nur noch eine Basisabsicherung, mehr nicht. Private Altersvorsorge und zusätzliche Kapitalbildung sind also dringend notwendig. Wenn aber wenig Einkommen da ist, geht automatisch weniger in die gesetzliche Absicherung und privates Sparen fällt aus oder ist entsprechend gering möglich. Einkommenslücke - Investmentlücke - Rentenlücke!

"Frau & Geld. Wie Frauen finanziell unabhängig werden" ist im Diana Verlag erschienen (10,99 Euro).
"Frau & Geld. Wie Frauen finanziell unabhängig werden" ist im Diana Verlag erschienen (10,99 Euro). © Diana Verlag

"Das Wichtigste ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung"

Wann sollten Frauen mit der Altersvorsorge beginnen?
FRITZ: So früh wie möglich.

Wie startet man mit der Vermögensplanung?
FRITZ: Zuerst sollten Schulden getilgt und Rücklagen gebildet werden. Dann sollten Risiken abgesichert werden: Mit Abstand das Wichtigste ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die man bereits im Teenager-Alter abschließen kann. Und sobald man kleine Kinder hat oder ein Darlehen abzahlt, ist zudem eine Risikoversicherung wichtig.

Wie geht es weiter?
FRITZ: Im Buch sprechen wir vom Drei-Schichten-Modell. Schicht eins bildet die Basisversorgung. Gemeint sind dabei Altersversorgungen, die automatisch über den Beruf greifen: die gesetzliche Rentenversicherung, die Künstlersozialkasse, Beamtenversorgung und so weiter. Schicht zwei ist die freiwillige Zusatzabsicherung. Gemeint sind die betriebliche Altersversorgung und die Riester-Rente. Wenn man sich dafür entscheidet, bekommt man zusätzlich eine staatliche Förderung.

Und Schicht drei?
FRITZ: In Schicht drei ist alles enthalten, was Sie freiwillig für sich zusätzlich ansparen: eine private Rentenversicherung, Investmentfonds, Aktien - also Kapitalanlagen -, Immobilien.

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"Geld zu horten, lohnt sich nicht"

Welche private Geldanlage empfehlen Sie?
FRITZ: Das sollte je nach individueller Situation entschieden werden. Geld auf Konten zu horten, lohnt sich nicht. Denn erstens haben wir eine hohe Inflation, zweitens kostet das, denn Zinsen gibt es schon lange nicht mehr. Daher sollten auf Giro- und Tagesgeld nur Gelder geparkt werden, die sie in absehbarer Zeit benötigen könnten. Alles übrige Geld sollten Sie mittel- und längerfristig in passenden Fonds anlegen und arbeiten lassen.

Wie steht es um Aktien?
FRITZ: Um in Einzelaktien zu investieren, sollte man sich an den Börsen wirklich auskennen. Sonst ist das Einzelwertrisiko zu hoch. Das Risiko ist weitaus kleiner, wenn man über breite Streuung in Fonds investiert. Da ist für jede was dabei.

Ihr wichtigster Tipp?
SICK: Frauen, setzen Sie Ihren Verstand ein und machen Sie eine eigene Lebensplanung.
FRITZ: Bleiben Sie erwerbstätig und nutzen Sie das eigene Geld. Zudem: Dran bleiben und sich nicht verunsichern lassen!

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