Frauen sollen das Bier retten
MÜNCHEN - Wenig Alkohol, kaum Hopfen, viel Farbe: Mix-Gebräu kurbelt den Absatz an. Und erreichen Frauen als neue Zielgruppe.
Das waren noch Zeiten, als die gute alte Radlermaß das einzige Biermischgetränk in Bayern war. Heute heißen die Gemische in unseren Supermärkten „Chilled Orange“, „Schöfferhofer Grapefruit“ oder „V+Curuba“. Sie sind rot, grün, orange oder gelb und schmecken nach Limette, Papaya, Guarana oder Caipirinha. Als „Frauenbier“ und „Zickenbrause“ sind die alkoholarmen Mischungen mit den bunten Farben unter Biertrinkern verpönt – und genau das ist den Herstellern gar nicht mal so unrecht...
Denn die Brauereien haben eine neue Zielgruppe entdeckt: „Frauen geraten beim Bierkonsum immer mehr in den Blickpunkt“, sagt Lothar Ebbertz, Geschäftsführer vom Bayerischen Brauerbund.
Die Biermischgetränke boomen
Während sich Männer beim Bier seit Jahren zurückhalten, kommen die Damen allmählich auf den Geschmack. Mit den farbenfrohen Biermischungen, die nicht dick und dösig machen und zudem auf den bitteren Hopfen verzichten, soll der schwächelnde Absatz angekurbelt werden. Jetzt müssen ausgerechnet die Frauen unser Bier retten!
Die Zahlen sprechen für sich: Um zwei bis drei Prozent ging der Bierverbrauch in den vergangenen Jahren pro Jahr zurück. Derzeit trinken die Deutschen rein statistisch gesehen pro Kopf nur noch gut 111 Liter im Jahr, vor acht Jahren waren es noch rund 125 Liter. Auch Bayerns Brauer konnten nur aufgrund des erneut gestiegenen Exports den Bierabsatz im vergangenen Jahr stabil halten. Die Binnennachfrage sank dagegen um 2,7 Prozent. Drei Millionen Hektoliter Bier weniger als im Vorjahr wurden abgesetzt.
Ganz anders bei den Biermischgetränken: Allein 2007 stieg der Verkauf um 18 Prozent. Biermischgetränke haben mittlerweile einen Anteil von 4,5 Prozent am gesamten Biermarkt. Langfristig könnte dieser sogar auf zehn Prozent anwachsen, schätzt das Marktforschungsinstitut GfK in Nürnberg.
Kein Wunder, dass sich die Brauer bei der Konzeption neuer Mischungen kräftig ins Zeug legen. Mit „Beck’s Ice“ hat der Brau-Riese Inbev (siehe unten) vor kurzem eine durchsichtige Mischung auf den Markt gebracht, die fast geschmacksneutral daherkommt und nur noch 2,5 Prozent Alkohol aufweist.
Hopfen und Malz verloren?
Statt bitteren Hopfen zu verwenden, investierten die Bremer lieber in eine schicke Verpackung: „Dieses Produkt passt besser zum neuen leichten Biergenuss“, erklärt Inbev-Sprecher Kai Falk.
Die Brauer mussten erfinderisch werden: „Nur mit Bier nach deutschem Reinheitsgebot kann man schon lange niemanden mehr hinterm Ofen hervorlocken“, sagt Branchenexperte Marc-Oliver Huhnholz. Deshalb bieten mittlerweile auch rund 50 Braustätten Biere mit Zutaten aus garantiert ökologischem Anbau an. „Wir sprechen damit ganz neue Zielgruppen an“, betont Ulrich Beuth, Marketing-Direktor der Flensburger Brauerei.
Ist Hopfen und Malz verloren? Nicht ganz, glauben die Experten: Wecken die Brauer erstmal die Liebe zum Mischgetränk, schwappen die Gefühle oft auf die traditionellen Biere über. Bei Beck’s hoffen die Brauer, dass Discogänger, die über das „Ice“ zum Bier kommen, später auf das klassische Pils umsteigen. Irgendwann, kalkuliert die Branche, wird aus dem Mix-Fan ein richtiger Biertrinker.
Von Daniel Aschoff
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