Flucht vor dem Fiskus: Die Tricks der Superreichen

München - Sie sind Staatschefs und Schlager-Komponisten, Diktatoren-Kinder und Kunstsammler, russische Oligarchen und griechische Krösuse. Sie alle stehen auf einer Liste von Steuerflüchtlingen – zusammen mit hunderten Deutschen, darunter dem verstorbenen Playboy Gunter Sachs. „Offshore-Leaks“ heißt der neueste Steuerskandal, den eine Mammut-Recherche von 86 Journalisten mit der Auswertung von Millionen Daten auslöste.
Sie enthüllt, wie sich Superreiche mit geschickten Finanzkonstruktionen in Steuerparadiesen – oft in Übersee („Offshore“) – dem Zugriff der Behörden entziehen können. Die Dimension des Skandals ist noch nicht ermessen. Aber: Der Schaden durch Steuerhinterziehung beläuft sich laut EU-Kommission pro Jahr auf rund eine Billion Euro. Das sind 1000 Milliarden und entspricht ungefähr dem Jahresetat der EU.
Ein Drittel des weltweiten Vermögens – 21 bis 32 Billionen Dollar – liegt laut Nichtregierungsorganisationen „Tax Justice Network“ auf Steueroasen. Geld, das den Finanzämtern und der Allgemeinheit fehlt.
Finanzjongleure, amerikanische Ärzte, griechische Bauern und englische Anwälte: Keinem auf der Liste ist ein Vergehen nachgewiesen. Es stellt sich – auch im Fall von Gunter Sachs – die Frage, warum man solches Versteckspiel betreiben sollte, wenn man sein Vermögen ordnungsgemäß versteuern wollte.
Die Affäre rollt erst an, und sie könnte zumindest eine Regierungskrise auslösen. In Frankreich ist Jean-Jacques Augier auf der Liste. Der Publizist war Wahlkampfschatzmeister seines Studienfreundes und Staatspräsidenten François Hollande. Jetzt stellte sich heraus, dass Augier Anteile an zwei Firmen auf den Cayman-Inseln und in Hongkong besitzt. Augier beschwört, es sei „nichts illegal“, er habe „kein Konto und keine Investitionen dort“. Präsident Hollande kam erst dieser Tage unter Druck, weil einem Ex-Minister ein Schwarzgeld-Konto nachgewiesen wurde.
Unter 4.000 US-amerikanischen Namen ist Denise Rich. Sie komponierte Songs für Celine Dion und war mit Michael Jackson befreundet. Verheiratet war sie mit Marc Rich, einem Finanzjongleur, den US-Präsident Bill Clinton am letzten Tag seiner Amtszeit umstritten begnadigte. Denise Rich, mittlerweile Österreicherin, hat 144 Millionen Dollar und eine Superjacht auf den Cook-Inseln verbucht.
Baroness Carmen Thyssen-Bornemisza kauft gerne Van Goghs mit den ersparten Steuern auf das Milliarden-Erbe ihres verstorbenen Ehemanns Hans-Heinrich Thyssen. Die Finanz-Konstruktion ermögliche ihr „maximale Flexibilität“, erklärt ihr Anwalt.
Aserbeidschans autokratischer Staatschef Ilham Aliyev hat für sich und seine Familie mehrere Briefkasten-Firmen in den britischen Jungferninseln installiert. Verwalter der dort gebunkerten Kohle aus dem Öl-Staat ist ein schwerreicher Geschäftsmann, der in der Hauptstadt Baku spektakuläre Hochhäusern hochzieht.
Imee Marcos, älteste Tochter des einstigen Philippinen-Diktators Ferdinand Marcos und seiner schuhverrückten Ehefrau Imelda, steht auch auf der Liste. Die Behörden in Manila wollen jetzt prüfen, ob die Tochter Teile des Milliardenvermögens „Offshore“ gelagert hat, das der Papa aus dem Land gepresst hat.
Illuster geht’s weiter auf der Liste, auf der sich auf die Gattin eines Putin-Ministers und der mongolische Parlamentspräsident befinden. „Ich sollte vielleicht einen Rücktritt erwägen“, sagt Baytsort Sangajav.
Aus dem Pleitestaat Griechenland kommen die Inhaber von 107 Briefkastenfirmen.
Wer die angeblich mehreren hundert Deutschen sind, ist bislang noch nicht bekannt. Die Finanzbehörden in Deutschland und anderen Industriestaaten kämpfen seit Jahren vergeblich gegen die Steuerflucht in Offshore-Paradiese. Laut der Reporter-Organisation ICIJ, die den Skandal aufdeckt, geht die Steuerflucht nur mit Hilfe der großen Banken und einer „gut bezahlten Industrie aus Strohmännern, Buchhaltern, Notaren und Banken“.
500 Bibeln voller Sprengstoff
Die Daten sind brisant, und sie sind kaum zu bewältigen. Was das internationale Journalisten-Konsortium ICIJ „Offshore-Leaks“ nennt, besteht aus 260 Gigabytes an Daten: 2,5 Millionen Fotos, Dokumente, Tabellen. Die Datenmenge entspricht dem Umfang von 500000 Bibeln.
Ein Jahr lang hatten 86 Journalisten aus 46 Ländern, darunter die „Süddeutsche Zeitung“, die BBC und der „Guardian“, die Daten auswerten lassen. Noch immer ist nicht die ganze Festplatte durchforstet. Sie stammt von zwei Firmen aus Singapur und den Britischen Jungferninseln, die sich auf die Einrichtungen so gennanter Offshore-Firmen spezialisiert haben. Im Visier sind 130000 Personen und 122000 Briefkastenfirmen. Angeblich stammt die Festplatte von einem einzelnen anonymen Tippgeber.