Flashmobs im Arbeitskampf sind erlaubt

Gewerkschafter stürzten einen Supermarkt ins Chaos, als sie extreme Warteschlagen an den Kassen verursachten. Das ist nicht verboten, hat das oberste Arbeitsgericht geurteilt - Flashmobs dürfen aber nicht alles.
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Streikposten von Verdi: Auch neue Kampfmethoden wie Flashmobs werden genutzt
dpa Streikposten von Verdi: Auch neue Kampfmethoden wie Flashmobs werden genutzt

Gewerkschafter stürzten einen Supermarkt ins Chaos, als sie extreme Warteschlagen an den Kassen verursachten. Das ist nicht verboten, hat das oberste Arbeitsgericht geurteilt - Flashmobs dürfen aber nicht alles.

Gewerkschaften dürfen sogenannte Flashmob-Aktionen in einem Streik als Kampfmittel einsetzen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt am Mittwoch mitgeteilt. In dem Prozess wollte der Handelsverband Berlin-Brandenburg der Gewerkschaft Verdi solche Aktionen untersagen lassen. Bei den Flashmobs werden über das Internet oder per SMS möglichst viele Personen zu einer gemeinsamen Aktion an einem bestimmten Ort aufgerufen. Die obersten Arbeitsrichter wiesen mit ihrer Entscheidung (Aktenzeichen: 1 AZR 972/08) wie bereits die Vorinstanzen eine Klage des Handelsverbandes gegen Verdi ab.

Die Dienstleistungsgewerkschaft hatte 2007 mit dem Handelsverband Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag geführt und dabei auch gestreikt. Auf ihrer Internetseite rief die Gewerkschaft ihre Mitglieder auf, sich an Flashmobs zu beteiligen. Dabei sollten viele Menschen in einem Supermarkt gleichzeitig einen Pfennigartikel kaufen, um so den Kassenbereich zu blockieren, in dem Streikbrecher arbeiteten. Rund 40 Menschen suchten die Filiale auf, kauften Cent-Artikel und verursachten dadurch Warteschlagen an den Kassen. Außerdem packten sie die Einkaufswagen voll und ließen diese dann stehen. Der Handelsverband hielt derartige Aktionen für unzulässig: Die Flashmobs kämen rechtswidrigen Betriebsblockaden und Betriebsbesetzungen gleich.

Ware darf nicht beschädigt werden

Das BAG sah dies allerdings anders. Die Flashmob-Aktionen (flash = Blitz, mob = Pöbel) seien zulässig. Denn gewerkschaftliche Maßnahmen zur Durchsetzung tariflicher Ziele seien generell auf eine Störung betrieblicher Abläufe gerichtet. Es gehöre zur im Grundgesetz festgelegten gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit, die Wahl der Arbeitskampfmittel frei zu wählen. Nicht erlaubt seien allerdings Flashmobs, bei denen Schäden an Waren entstehen - beispielsweise, indem Einkaufswagen mit Tiefkühlartikel befüllt und stehen gelassen werden. Außerdem müsse sich der Arbeitgeber gegen derartige streikbegleitende Spontanaktionen auch wehren können, etwa durch die Ausübung seine Hausrechts oder eine kurzfristige Betriebsschließung. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte das Urteil scharf. «Ich habe keinerlei Verständnis für die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts», heißt es in einer in Berlin veröffentlichten Stellungnahme Hundts. Er sieht damit das bewährte System der Tarifverhandlungen untergraben und die Tarifautonomie gefährdet. Den Gesetzgeber forderte er auf, «durch gesetzliche Klarstellungen die Erosion der Tarifautonomie in Deutschland zu verhindern».

«Zu Lasten der Betriebe»

Hundt hält Betriebsblockaden durch Flash-mob-Aktionen «vom Streikrecht nicht gedeckt» und damit für unzulässig. Die vom Bundesarbeitsgericht vorgeschlagenen Abwehrmittel, wie die kurzfristige Betriebsschließung oder die Ausübung des Hausrechts, seien praxisfern. Die jüngste Entscheidung setze die Tendenz in der Rechtsprechung des obersten deutschen Arbeitsgerichts fort, die Grenzen des Arbeitskampfrechts weiter zu Lasten der Betriebe zu verschieben. (nz/epd/dpa)

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