Finger auf die Wunde

Regisseur und Intendant haben die Abreibung verdient: AZ-Kulturredakteur Robert Braunmüller über die Reh-quisiten an der Staatsoper.
Niemand hat Martin Kušejs Inszenierung der Märchenoper „Rusalka“ bisher gesehen. Der Regisseur gab im Vorfeld keine Interviews, und so müssen wir uns nach den Bildern einer Fotoprobe den Zusammenhang selber zusammenreimen: Das nun durch eine Nachbildung ersetzte tote Reh wäre wahrscheinlich am Beginn des zweiten Akts in der Szene zwischen dem Jäger und dem Küchenjungen auf der Bühne gehäutet worden. Die nach einer Seele strebende Nixe Rusalka hätte es erblickt und einen ersten Vorgeschmack von der üblen Welt der Menschen bekommen, in die sie aus Liebe zum Prinzen geraten ist.
Das muss noch einmal erklärt werden, weil die Debatte in die falsche Richtung geht. Natürlich ist es ausgesprochen widerwärtig und ethisch fragwürdig, dergleichen mit einem beim Wildmetzger gekauften Reh darzustellen und das Fleisch hinterher wegzuwerfen. Insofern haben der Regisseur und der Opernintendant Nikolaus Bachler ihre Abreibung verdient. Vielleicht aber legt die Aufführung den Finger auf die wahre Wunde: dass die Jagd grausam ist und der Fleischgenuss ethisch problematisch. Dann wäre es falsch, die Überbringer für ihre Botschaft zu geißeln. Theater hat die Aufgabe, solche Themen mit schockierenden Bildern anzusprechen. Allerdings, das lehrt die Erfahrung, fachen Affären wie dieses nur den müßigen Streit um das Regietheater an. Wir sollten lieber darüber nachdenken, wo Wurst, Schnitzel und Rehragout herkommen.