Interview

Finanzexperte Hans Michelbach im Interview: "Ungeprüft im Dax"

Nächste Woche beginnt die parlamentarische Untersuchung des Wirecard-Skandals. CSU-Finanzexperte Michelbach klärt auf.
von  Stefan Lange
AZ-Interview mit Hans Michelbach Der CSU-Bundestagsabgeordnete (71) ist Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Finanzausschuss.
AZ-Interview mit Hans Michelbach Der CSU-Bundestagsabgeordnete (71) ist Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Finanzausschuss. © Michael Kappeler/dpa

AZ: Herr Michelbach, was regt Sie im Fall Wirecard am meisten auf?
HANS MICHAELBACH: Wir konnten seit 2019 verstärkt wieder Medienberichte über schwere Unregelmäßigkeiten bei Wirecard lesen und haben nicht nur im Finanzausschuss des Bundestages immer wieder um Informationen gebeten. Seitens des Bundesfinanzministeriums und der BaFin wurde jedoch nur beruhigt und abgewiegelt. Die Bescherung hatten wir dann mit dem KPMG-Sondergutachten, das ein Milliarden-Finanzloch zutage förderte, und der nachfolgenden Insolvenz des Unternehmens. Das hatte sich von uns Abgeordneten keiner so ausmalen können. Wir konnten unserer parlamentarischen Kontrollaufgabe nicht nachkommen.

Michelbach: Man hätte sehen können, dass etwas nicht stimmt

Es hätte viel früher gehandelt werden müssen?
Ja. Es wurden, das hat die Befragung der Sachverständigen im Untersuchungsausschuss bereits ergeben, seit 2010 scheinbar Gewinne gefälscht. Es wurden kleine Unternehmen gekauft, oder über mehrere Stationen gekauft, verkauft und wieder gekauft, der Kaufpreis wurde weit überhöht angegeben und damit die Bilanz aufgebläht. Am Ende stand ein Geflecht von 56 Tochterfirmen. Die Banken und die Börsen haben das letztlich finanziert und für liquide Mittel gesorgt. Diese Unternehmen machten keine oder kaum Gewinne, es wurde aber ein unglaublich schnelles Wachstum vorgetäuscht. Das wiederum hat neue Investoren angelockt und es hat zu der Euphorie in Deutschland geführt, dass endlich mal ein deutsches FinTech-Unternehmen die Welt erobert. Wenn man genauer hingeschaut hätte, hätte man im Vergleich mit Wettbewerbern sehen können, dass hier etwas nicht stimmt.

Warum braucht es den Untersuchungsausschuss?
Wir haben im Sommer zunächst versucht, den Fall in Sondersitzungen des Finanzausschusses aufzuklären. Es tauchten dann aber immer mehr Fragen auf - auf die es nur ungenügende Antworten gab. Gleichzeitig wurde deutlich, dass Hunderttausende Anleger um ihr Geld geprellt worden waren. Viele davon haben sich an uns gewandt. Wir mussten also ein schärferes Instrument suchen, und das ist der Untersuchungsausschuss, in dem wir ganz andere Mittel haben.

Wirecard ohne richtige Prüfung in den Dax

Welche?
Wir haben zum Beispiel volle Akteneinsicht und können Zeugen vorladen und befragen. Die Regeln richten sich nach der Strafprozessordnung. Wir können also auch Zeugen vereidigen. Falschaussagen vor dem Ausschuss können strafrechtlich verfolgt werden.

Auf welche Fragen wollen Sie unbedingt Antworten haben?
Ganz grundsätzlich geht es mir um das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns. Es darf einfach nicht sein, dass eine solche Betrugsmasche zum Schaden der Allgemeinheit Erfolg hat. Das Unternehmen ist in den Dax aufgenommen worden, ohne je richtig geprüft worden zu sein. Das muss man sich einmal vorstellen! Wir müssen deshalb wissen, warum die Aufsicht über Wirecard nicht funktioniert hat. Wir stellen inzwischen fest, dass es offenbar ein vielfältiges Prüfungsversagen gab, aber auch ein Aufsichtsversagen und vielleicht auch ein Staatsversagen. Diese drei Dinge stehen im Vordergrund.

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