Fehltritte eines Unfehlbaren
Dem Papst mangelt es nicht an intellektueller Schärfe. Deshalb hat er seine umstrittenen Personalentscheidungen wohl ganz bewusst so getroffen. Benedikt XVI. riskiert einen hohen Preis dafür, meint AZ-Onlineredakteur Stephan Kabosch.
Der Papst sollte Pontifex maximus sein, oberster Brückenbauer, doch Benedikt XVI. ist ein Gräbenaufreißer. Die unselige Rehabilitierung des Bischofs und Holocaust-Leugners Williamson und erst am Samstag die Bischofsernennung eines ultrakonservativen Geistlichen, der Hurrikan „Katrina“ als göttliche Strafe für die Unmoralischen bezeichnet – all das gliedert sich ein in eine Reihe von Fehltritten des laut Kirchenlehre Unfehlbaren.
Man mag Joseph Ratzinger mangelnde Sensibilität vorwerfen können, zu wenig Gespür für die Menschen an der Basis. Sicher nicht mangelt es dem deutschen Papst an Verstandesschärfe. Und so muss man auch davon ausgehen, dass es sich etwa bei der Versöhnung mit den erzkonservativen Traditionalisten nicht etwa um Betriebsunfälle hinter den dicken Mauern des Vatikans handelte, sondern um wohlüberlegte Schritte - zurück in die Restauration. Immer wieder seit Beginn dieses Pontifikats vor knapp vier Jahren wird deutlich, wie sehr Professor Ratzinger Papst Benedikt im Weg steht, der nüchterne Theologe dem gutmütigen Menschenfischer, das Erzkonservative des früheren Präfekten der Glaubenskongregation dem Pastoralen des Stellvertreters Jesus Christus.
Das Schlimme daran ist: Die Entscheidungen des Papstes ignorieren den kollektiven Rausch seiner Wahl, als Millionen Deutsche plötzlich Papst waren, sich junge Menschen für Kirche begeistern konnten. Heute sind ihre Hoffnungen enttäuscht, sie wenden sich wieder ab, die Kritiker fühlen sich bestätigt, die immer schon vor überzogenen Erwartungen gewarnt hatten. Mühsam aufgebautes Vertrauen ist erschüttert, in ganz besonders fataler Weise auch zu den anderen Glaubensgemeinschaften.
Das Schlimme daran ist auch: Mit seinen Entscheidungen, die er ohne Not getroffen hat, bindet der Papst eine kleine Minderheit reaktionärer Katholiken an sich. Er stößt all jene vor den Kopf, denen eine moderne, eine offene, eine lebendige Kirche wichtig ist, die ihre fundamentalen Grundsätze dennoch nicht aufgeben muss. Nicht nur von der Basis ganz unten, sondern mittlerweile auch immer mehr aus dem Kreis der Bischöfe kommt das Unverständnis, kommt der Widerstand. Ein paar wenigen den Arm zu reichen - und dabei das Austreten vieler Tausender riskieren: Das ist ein hoher, ein unverhältnismäßig hoher Preis, den die katholische Kirche für Benedikts rückwärtsgewandten Kurs vermutlich zahlen muss.
- Themen:
- Benedikt XVI
- Katholische Kirche
- Päpste