Es läuft was falsch
Komasaufen ist ein Skandal - aber auch ein Hilfeschrei. Mathhias Maus über Kinder und Alkohol.
Man denkt an einen Fehler. An Statistik-Tricks oder schlimmer gar – an Manipulation: Jedes zweite Kind unter zwölf Jahren hat schon Erfahrungen mit Alkohol. Es klingt unfassbar. Nur: Wer hat Interesse, die Zahlen so aufzubauschen?
Zugegeben: Womöglich spielt die Lust, sich wichtig zu machen, eine Rolle. Es soll Kinder geben, die betrunken spielen auf Partys, nur um cool zu erscheinen. Aber selbst wenn Angeberei die Zahlen verfälscht: Sie zeigt, dass Alkohol einen Stellenwert hat bei den Jüngsten, den er nicht verdient. Dass verherrlicht wird, was im Koma enden kann oder später im Autowrack am Alleebaum.
Es ist unbestreitbar, was Ärzte in Krankenhäusern in München und anderswo erleben. Kleine Schnapsleichen und Wodkabrüderchen, die in den Notaufnahmen liegen. Und es werden mehr und nicht weniger.
Es läuft also was falsch: in der Freizeitgesellschaft, in der Komasaufen ein Geschäftsmodell ist, für das auch noch geworben werden darf. In Familien, in denen sich niemand darum kümmert, was die lieben Kleinen denn so treiben und was sie umtreibt. Und übrigens auch bei wohlanständigen Eltern, die noch immer glauben, ein Schluck aus der Biergarten-Maß werde dem Kleinen schon nichts ausmachen.
Die Kleinen, auch das gehört zum trüben Gesamtbild, stehen unter Druck. In der Freizeit, in gestressten Familien, aber auch in der Schule. Dass sie sich vor diesem Druck in den Alkohol flüchten, ist ein Skandal. Aber es ist auch Hilfeschrei. Wir sollten ihn hören.
Matthias Maus
- Themen: