Entschädigungen: Airlines bügeln Kunden ab

MÜNCHEN - Fluggesellschaften müssen ihre Kunden bei Verspätungen entschädigen. Doch wenn die Fluggäste ihre Rechte einfordern, mauern und tricksen die Unternehmen
Die Rückreise von Kalifornien war beschwerlich. AZ-Leserin Sabine S. hatte einen Direktflug gebucht, doch es kam alles anders. Wegen zahlreicher Pannen gelangte die 48-Jährige mit zwölf Stunden Verspätung in München an. Eine Entschädigung erhielt sie von American Airlines bis heute nicht.
Ein Fall wie viele andere: Quer durch die Branche ignorieren Luftfahrtgesellschaften die Rechte ihrer Passagiere bei Flugausfällen und Verspätungen, berichten die Verbraucherzentralen. Mauern, ignorieren, herumtricksen – keine Taktik ist den Airlines schäbig genug, um ihre Kunden über den Tisch zu ziehen. Dabei gibt es eindeutige Regelungen. Für Flüge, die außerhalb der EU starten und von einer Airline außerhalb der EU durchgeführt werden, gilt das Montrealer Abkommen. Es sieht bei Schäden durch Verspätungen eine Entschädigung von bis zu gut 4000 Euro vor. Bei Flügen, die von europäischen Airlines durchgeführt werden oder die innerhalb der EU starten, gelten sogar unabhängig von nachgewiesenen Schäden für die Fluggäste feste Entschädigungssummen bei Verspätungen.
Für Sabine S. war nach dem Start in San Francisco nichts mehr planmäßig gelaufen. Statt eines geplanten Zwischenstopps in Philadelphia steuerte der Flieger Pittsburgh an – angeblich wegen Problemen mit einem Tank. In Pittsburg mussten die Passagiere nach Europa den Jet verlassen. Sabine S. wurde erst ein Flug nach Manchester zugewiesen. Dort ließ man sie auf ihr hartnäckiges Drängen hin in einen Flieger nach Frankfurt steigen, von wo sie endlich in Richtung München abhob. Dort kam sie mit zwölfstündiger Verspätung an.
Wegen der Verspätung musste sie zahlreiche Termine in München verlegen – vom sündteuren Satellitentelefon im Flieger aus. Sabine S. verlangte die Kosten für die Anrufe von American Airlines zurück. Stattdessen gab es nur eine knappe Email: Mehr als ein 100-Dollar-Fluggutschein, einzulösen innerhalb der nächsten zwölf Monate, sei nicht drin.
Für Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg ist dies keine Überraschung. Geprellte Fluggäste kämen häufig nur per Anwalt oder mit Hilfe einer Verbraucherzentrale zu ihrem Recht, berichtet sie. Eine Umfrage der Verbraucherzentralen unter Fluggästen offenbart die unfreundliche Haltung der Airlines. 22 Prozent der Befragten haben demnach überhaupt keine Reaktion bekommen, nachdem sie sich über Verspätungen beschwert haben. Auch vor Ort am Flughafen kümmerten sich die Fluggesellschaften selbst bei stundenlangen Verspätungen häufig nicht um ihre Passagiere, boten ihnen nicht einmal Erfrischungen an.
Ginge es nach den Verbraucherschutzministern der Länder, würden sich die Airlines wenigstens an der Schlichtungsstelle in Berlin beteiligen, die zurzeit nur bei Beschwerden von Bahn-Kunden tätig wird. Jetzt hoffen die Experten in den Verbraucherzentralen, dass Berlin die Luftfahrtgesellschaften zwingt, die Anliegen ihrer Kunden ernst zu nehmen. Die verbindliche Teilnahme am Schlichtungsverfahren soll per Gesetz eingeführt werden. sun
Juristische Kniffe - Mehr Rechte bei EU-Verbindungen
Der Europäische Gerichtshof hat wiederholt die Rechte der Fluggäste bei Verspätungen eingefordert. Doch Airlines prozessieren oft lieber bis zum Bundesgerichtshof, als nach Pannen unbürokratisch Hilfe zu leisten. Auch am Donnerstag befassten sich die Richter mit einem Fall.
Eine Passagierin hatte einen Flug in mehreren Etappen von Bremen nach Paraguay gebucht und war elf Stunden zu spät angekommen. Die Airline will keine Entschädigung zahlen, weil der erste Flug mit nur zweieinhalbstündiger Verspätung startete und die Verspätung in Paraguay Folge verpasster Anschlussflügewar. Jetzt muss der Gerichtshof seine Rechtsprechung präzisieren.
Bei Verspätungen oder wenn der Flug gestrichen wird, bekommen Fluggäste normalerweise nach EURecht bei Verbindungen bis zu 1500 Kilometern 250 Euro. Bei Flügen von 1500 bis 3500 Kilometern sind es 400 Euro, ab 3500 Kilometern 600 Euro.
Das gilt aber nur, wenn die Airline ihren Sitz in der EU hat oder einen Flug von der EU aus anbietet. Bei Rückflügen sind sich die Juristen uneinig. Was passiert, wenn ein Urlauber einen Flug bei einer türkischen Airline von München nach Ankara und zurück bucht und es beim Rückflug zu Verspätungen kommt? Manche Juristen betrachten den Rückflug als Teil des ersten Fluges – dann müsste die türkische Airline Entschädigungen nach EURecht zahlen. Andere Juristen gehen von zwei Flügen aus – dann könnte der Fluggast nur Schadenersatz aufgrund der Regeln des Montreal-Abkommens verlangen. Dafür muss er den Schaden nachweisen.