Elektromobilität ohne Strom?
Egal, ob bei der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters in München Dieter Reiter oder Josef Schmid das Rennen macht – Marcus Krieg hat jetzt schon einen dringenden Wunsch an den künftigen OB. Gerade mal 20 Stromtankstellen für schnelles Laden von Elektroautos gibt es zurzeit in München, ärgert sich der BMW-Manager. Um die 100 sollten es schon sein, findet er.
München - Eine Million Elektroautos sollen im Jahr 2020 auf deutschen Straßen fahren, wünscht sich Bundeskanzlerin Angela Merkel. BMW investiert Milliarden in die E-Mobilität, doch ausgerechnet in der Heimatstadt des Autobauers führt die neue Technik ein Mauerblümchendasein.
Marcus Krieg (42), der Chef des BMW-Projekts „360 Grad“ will Besitzern von Elektroautos das Leben und Fahren leicht machen, aber er kämpft immer wieder mit der Unlust der örtlichen Stromversorger, nicht nur in München. Strom im Tank statt Sprit – das wirft für potenzielle Autokäufer viele Fragen auf. Wie lange muss ich mein Auto laden, bis der Akku voll ist? Bis wohin reicht dann die Ladung? Gibt es auf dem Weg dorthin eine neue E-Zapfsäule – und wenn ja, kann ich sie benutzen? Je mehr Stromtankstellen entlang einer Strecke stehen, desto sicherer fühlen sich die Autofahrer, weiß Krieg – selbst, wenn sie die Anschlüsse im Alltag gar nicht nutzen, weil die tatsächliche Anzahl von Kilometern, die sie zurücklegen, weit geringer ist als ursprünglich geschätzt.
Möglichst viele Ladestationen bedeutet aber eine Unzahl von beteiligten Firmen. 700 unterschiedliche Betreiber von Stromsäulen gibt es in Deutschland, berichtet Krieg. Wer beispielsweise in Bochum mit dem Auto zur Stromtankstelle der Stadtwerke fährt, brauche erst einmal eine Ladekarte – die er sich vom örtlichen Energieversorger besorgen muss. Ein unkompliziertes Fahrvergnügen sieht anders aus.
Deshalb müht sich BMW um einheitliche Tank-Verträge für seine Kunden. Weitaus schwieriger wird’s, wenn Stromtankstellen gebaut werden müssen. An den Kosten liegt es nicht: Eine Ladestation schlägt mit 10000 bis 20000 Euro zu Buche, ein Betrag, den BMW verschmerzen könnte. Aber „in München beispielsweise haben wir gar nicht die nötigen Liegenschaften für den Bau von Stationen“, sagt Krieg. Und bei den Stadtwerken herrsche offenbar keine große Eile, Standorte für neue Stromtankstellen auszuweisen und die Ladestationen anzuschließen. Dabei würde sich BMW an den Kosten beteiligen.
Doch für Energieversorger bedeutet die Elektromobilität in erster Linie Mühsal und Aufwand, nicht nur in München. Es fehle schlicht der Wille, die Infrastruktur aufzubauen, mutmaßt Krieg – und von der Politik kämen keine klaren Ansagen. Dass es auch anders geht, zeigt das Ausland: In den Niederlanden gebe es schon 5000 Ladesäulen, sagt Krieg – 1000 mehr als in Deutschland. Wer sich ein Elektro-Auto kauft, kann bei der Gemeinde Bescheid geben – die kümmert sich um eine Ladestation. Noch entschiedener fördert Norwegen das Fahren mit Strom: Elektroautos dürfen die Busspuren benutzen, und den Strom für den Tank bekommen sie von der Regierung geschenkt.S. Stephan
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