Eine Branche – tiefrot
MÜNCHEN - Premiere schreibt riesige Verluste und verhängt einen Einstellungsstopp. Kündigungen gibt es aber noch nicht. Dafür aber bei Sat1: Der Sender zieht nach München und streicht Stellen.
Die Stimmung ist mies. 89,1 Millionen Euro Verlust hat Premiere im dritten Quartal gemacht. Deutlich mehr als Branchenkenner erwartet haben. Selbst Unternehmenssprecher Stefan Vollmer ist schlecht gelaunt, als die AZ ihn auf das gigantische Minus anspricht. „Was soll ich groß dazu sagen. Das ist halt so, wenn der Umsatz stabil ist und die Kosten steigen.“
Längst ist Premiere in der Krise angekommen. Und mit dem Pay-TV-Sender eine ganze Branche. Ist der Sparkurs bei Zeitungen und Zeitschriften schon längst ausgegeben (siehe unten), sind es jetzt die Fernsehsender, die sich neu formieren müssen.
Mit einem Achselzucken lässt sich der Verlust von Premiere nicht mehr abtun. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres hat der Sender 155 Millionen Euro Verlust gemacht. Die Schulden steigen weiter, das Platzen einiger Kredite konnte gerade noch verhindert werden. „Sicherlich, es ist ein schwieriges Jahr für Premiere gewesen. Die Zahlen sind nicht wie erhofft“, sagt dann auch Vollmer.
„Wir können und müssen mit der Sportschau leben“
Jetzt soll mehr auf die Kosten geachtet werden, auch beim Rechtekauf. „Wir können und müssen mit der Sportschau leben“, sagte Vorstandsvorsitzender Mark Williams. Exklusivität ja, aber die Bundesliga steht bei ihm nicht mehr im Vordergrund.
Dafür Einsparungen, Einstellungsstopp, aber keine Kündigungen. Noch nicht. Auch wenn die Abo-Zahlen zwischen Juli und September um 35000 Neu-Seher stiegen, ist die Prognose für das Gesamtjahr düster: Mit 40 bis 60 Millionen Euro Verlust rechnet Premiere bei einem Umsatz von 1,015 Milliarden Euro.
Williams, der dem Sender erst seit September vorsitzt, versucht sich trotzdem an guten Neuigkeiten. Es gebe einen „guten Fortschritte bei der strategischen Neuausrichtung des Unternehmens“. Derzeit werden die Strukturen überprüft, ein Geschäftsmodell soll noch in diesem Jahr vorgelegt werden. Man sei zuversichtlich, einen Rückweg zum Wachstum zu finden, hieß es.
Der komplette Konzern zieht nach Unterföhring
Alles andere als zuversichtlich sind rund 600 Mitarbeiter von Sat1. Sie müssen umziehen, wollen sie ihren alten Arbeitsplatz behalten: Von Berlin nach München. Der komplette ProSiebenSat1-Konzern wird ab Juni 2009 unter einem Dach in Unterföhring gebündelt. In Berlin bleibe neben dem Nachrichtensender N24 nur die Sat1-Zentralredaktion, die das Frühstücksfernsehen und das Magazin am Abend produziert, sagte Betriebsratsvorsitzende Katrin Schulz.
Erst am Mittwoch hatte ProSiebenSat1 seine Gewinnerwartung um fast 100 Millionen Euro nach unten korrigiert. Bei Sat1 sollen nun durch den Umzug 225 Stellen eingespart werden und auch in der Konzernspitze tut sich einiges. So wird Sat1-Chef Matthias Alberti Geschäftsführer von German Free TV, Kabel1-Boss Guido Bolten Geschäftsführer von Sat1. Dessen Stelle nimmt Jürgen Hörner, bislang Vize-Chef bei ProSieben, ein.
Anne Kathrin Koophamel
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