Eine Branche auf Crash-Kurs

Die deutsche Autoindustrie gerät wegen der Finanzkrise in Riesen-Probleme. Der amerikanische Markt liegt am Boden, die Stimmung schwappt über den Atlantik. Hersteller rosseln jetzt die Produktion – laut Experten stehen bis zu 20.000 Arbeitsplätze vor dem Aus.Die AZ beschreibt die Stimmung bei bayerischen Auto-Bauern, Zulieferern und Händlern.
Die Auto-Bauer
Den bayerischen Autoherstellern geht es ähnlich wie den US-Kollegen von General Motors, Ford und Chrysler: Die Nachfrage nach Autos ist gesunken. Das BMW-Werk in München wird deshalb vom 3. bis 7. November seine Produktion stoppen. Fest angestellte Mitarbeiter brauchen keine Angst zu haben: Ihre Jobs sind erst mal sicher. BMW verzichtet für die Zeit der Krise auf Leiharbeiter. Hintergrund: Bei BMW wird fünf Tage produziert, die regulären Mitarbeiter arbeiten davon vier Tage, der fünfte Tag wird durch Leiharbeiter abgedeckt. Damit das Arbeitszeitkonto der Festbeschäftigten nicht ins Minus gerät, sollen diese nun am fünften Tag reinkommen können. „Es gibt nichts zu beschönigen, aber wir sind von der Finanzkrise weniger betroffen als andere Betriebe“, sagt Betriebsratschef Hans Haumer. Im November werde sich entscheiden, ob es zusätzlich verlängerte Weihnachtsferien gebe. Das gelte auch für die anderen bayerischen Werke. Im Regensburger BMW-Werk soll die Produktion im November ebenfalls eine Woche lang still stehen. In Leipzig stoppt die Produktion bereits Ende Oktober für eine Woche. Bei Audi soll dagegen normal weiter produziert werden, teilte ein Sprecher mit. Der Konzern habe eine gute Auftragslage und wolle in diesem Jahr die Millionen-Grenze knacken. Bis September habe das Unternehmen 762.000 Autos produziert.
Die Zulieferer
In Bayern gibt es eine ganze Reihe von Unternehmen, die abhängig sind von Auto-Bauern. Klar, dass der Produktions-Stopp der Hersteller auch für sie Folgen hat. Am härtesten trifft es den Münchner Fahrzeugzulieferer Knorr-Bremse: Wegen des starken Rückgangs im Nutzfahrzeugmarkt werden Stellen gestrichen. Einziger Trost: Der Standort München soll verschont bleiben. Weitere Infos gab der Konzern nicht heraus. Auch der Kabel- und Bordnetzspezialist Leoni spürt bereits einen Rückgang der Nachfrage in der Autoindustrie. „Als Zulieferer geht die globale Entwicklung im Automobilmarkt natürlich auch an Leoni nicht vorüber“, sagte Vorstandschef Klaus Probst. Einen Job-Abbau fürchtet der Chef der Nürnberger Firma nicht. Bei der Fürther Firma Mekra, die Außenspiegel für Autos herstellt, ist man zurückhaltender. Eine Sprecherin erklärt: „Bei uns ist die Auftragslage noch ganz normal. In absehbarer Zeit werden die Bänder bei uns nicht still stehen. Auch befristet Beschäftigte müssen nicht um ihre Jobs bangen." Bei der Firma Bosch hingegen, die Autos mit Elektronik-Komponenten ausstattet, wird die Produktion demnächst ausgesetzt. „Als Hersteller von KfZ-Technik können wir uns der aktuellen Marktentwicklung nicht entziehen“, sagt ein Sprecher. Die Lage sei jedoch von Werk zu Werk unterschiedlich. „An Standorten, die den US-Markt beliefern, spüren wir den Rückgang der Nachfrage um 25 Prozent deutlich. An Standorten, die den EU- und den asiatischen Markt beliefern, ist es noch entspannter." Bei Webasto in Stockdorf rechnet man zwar mit etwas weniger Umsatz als im Jahr 2007, doch einen Produktionsrückgang gebe es nicht.
Die Händler
Während der Absatz von Autos in Amerika bereits dramatisch einbricht, können sich die Händler in Bayern noch nicht beklagen. Ein Besuch beim Autohaus Mahag Oberland (VW, Audi, Seat, Skoda) in der Münchner Denisstraße vermittelt keine Krisenstimmung. Mehrere Menschen gucken sich die Ausstellungswagen an, eine Frau erkundigt sich nach der Lieferzeit eines Seat-Modells. Ihr Auto ist kaputt. Ein typischer Fall, sagt Autohändler Jörg Schrattenecker, denn wenn die Leute dringend ein Auto bräuchten und Geld hätten, kauften sie auch - Krise hin oder her. Laut Schrattenecker ist bei Einzelkunden aber schon eine Zurückhaltung spürbar. Ob das aber an der Finanzkrise liege? „Deren Auswirkungen werden wir wohl erst in einem halben oder drei Viertel Jahr spüren“, sagt Schrattenecker, „die Nachfrage geht ja schon seit Jahren zurück“. Generell sei in der ersten Jahreshälfte die Nachfrage stärker. Wenn aber ein Hersteller ein neues Modell im zweiten Halbjahr auf den Markt werfe, ginge dann natürlich die Kurve nach oben. Gleiches Bild auch in der BMW-Niederlassung München: „Wir können momentan noch nichts Negatives vermelden“, sagt Andreas Millik, der als Controlling-Leiter in der Niederlassung arbeitet. Im Gegenteil: „Wir verzeichnen eine gute Nachfrage.“ Lediglich das Geschäft mit Gebrauchtwagen laufe nicht so gut – aber das habe nichts mit der Krise auf den Kapitalmärkten zu tun. Die Finanzkrise werde sich nur bei den Großkunden bemerkbar machen. Wenn Umsätze von Unternehmen sinken, sei auch kein Geld für neue Autos da, so Millik. „Aber das werden wir frühestens in zwei oder drei Monaten merke
V. ter Haseborg, E. Panagiotidis, S. Windschall