Ein Schweinegeschäft

Die Angst vor der neuen Grippe wächst – und mit ihr die Vorfreude der Pharmakonzerne auf Einnahmen. Am Donnerstag klärten die Kassen und Ministerin Schmidt die Kosten der Impfung
von  Abendzeitung
Eine Mitarbeiterin des Impfstoffwerks von Galxosmithkline in Dresden analysiert ein Proteinmuster bei der Impfstoffproduktion gegen das Schweinegrippevirus.Foto: ddp
Eine Mitarbeiterin des Impfstoffwerks von Galxosmithkline in Dresden analysiert ein Proteinmuster bei der Impfstoffproduktion gegen das Schweinegrippevirus.Foto: ddp © az

Die Angst vor der neuen Grippe wächst – und mit ihr die Vorfreude der Pharmakonzerne auf Einnahmen. Am Donnerstag klärten die Kassen und Ministerin Schmidt die Kosten der Impfung

BERLIN In den Chefetagen von Glaxosmithkline, Roche, Novartis und Sanofi-Aventis dürfte am Donnerstag eitel Freude geherrscht haben. Die Bundesregierung und die Krankenkassen einigten sich nach wochenlangem Streit auf einen Kompromiss zur Finanzierung der Schweinegrippe-Impfung. Die Krankenkassen tragen die Kosten für die Impfung von 50 Prozent ihrer Mitglieder, darüber hinausgehende Ausgaben werden aus Steuermitteln aufgebracht – Nutznießer sind die Pharmahersteller.

Insgesamt rechnet die Pharmabranche aufgrund der Schweinegrippe-Epidemie für 2009 mit einem Umsatzplus von über fünf Milliarden Dollar. Ein erheblicher Teil der Kosten in den Industrieländern entfällt auf Deutschland.

Krankenkassenbeiträge müssen nicht steigen

Zuletzt drohten die Krankenkassen wegen der Ausgaben mit einer Erhöhung der Mitgliedsbeiträge. Dies sei jetzt nicht nötig, sagte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Der Kompromiss, den sie mit den Kassen festzurrte, geht davon aus, dass sich jeder zweite Bundesbürger impfen lässt. Sollten mehr Menschen nach dem Impfschutz verlangen, will der Bund einspringen. Der Impfstoff solle Ende September oder Anfang Oktober geliefert werden.

Die Ansichten über Nutzen und Risiken der Impfung sind nach wie vor geteilt: Weil die Impfstoffe noch nicht großflächig getestet wurden, spricht der Pharma-Kritiker Wolfgang Becker-Brüser von einem „Großversuch an der deutschen Bevölkerung“. Andere Experten verweisen darauf, dass die Schweinegrippe bei den meisten Menschen ohne große Komplikationen verlaufe. Nur angeschlagene Patienten müssten sie fürchten.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät, chronisch Kranke vorsorglich zu impfen, Berlin bereitet sich vorsichtshalber auf eine Massenimpfung vor. Dafür zahlen die Kassen nach dem jetzt erzielten Kompromiss in einen Fonds. Sobald dieser erschöpft ist, kommt Geld vom Bund. Pro Patient werden zwei Impfungen mit Kosten in Höhe von insgesamt 30 Euro veranschlagt. Zunächst sollen Angehörige von Risikogruppen geimpft werden, danach alle anderen Menschen, die dies wünschen.

Währenddessen werden auch antivirale Grippemedikamente verstärkt geordert. Roche verkaufte im ersten Quartal deutlich mehr Tamiflu, Konkurrent Glaxosmithkline versucht sein Glück mit dem Wirkstoff Relenza.

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