Ein "rabenschwarzer Tag": Schlecker-Prozess beginnt

Christel Hoffmann ist im Auto unterwegs. Ihre Gedanken sind bei "meinen" Frauen. Mehr als 25.000 Mitarbeiter hat das Unternehmen in Deutschland, dessen Gesamtbetriebsrat sie leitet. Die weitaus meisten sind Frauen. Hoffmann weiß zwar, dass es in der Firma Probleme gibt. Doch wie bedrohlich sie tatsächlich sind, ahnt die Belegschaftsvertreterin nicht. Dann klingelt auf halber Strecke zwischen Karlsruhe und Pforzheim ihr Handy. Eine Kollegin sagt: "Christel, im Fernsehen läuft gerade: Schlecker ist pleite."
Am 23. Januar 2012 sorgt die Nachricht bei den Beschäftigten für Entsetzen. "Es war ein rabenschwarzer Tag", sagt Hoffmann. Die berufliche Existenz schien für die meisten wegzubrechen. Das Durchschnittsalter der "Schlecker-Frauen" habe bei 46,7 Jahren gelegen, sagt die Ex-Betriebsrätin.
Letzte Rettung Callcenter
Die Bundesagentur für Arbeit bemühte sich um Hilfe. Einige Betroffene hatten Glück. 2.800 kamen woanders unter, längst nicht alle in Vollzeitjobs. "Etlichen blieb nichts weiter übrig, als zu deutlich schlechteren Bedingungen zu arbeiten", sagt Verdi-Sprecherin Eva Völpel. Nicht wenige hätten in Callcentern gejobbt – für 6,50 Euro pro Stunde.
"Bei Schlecker wurden immerhin Tariflöhne gezahlt", erzählt Hoffmann. "Er war damals der einzige Drogeriediscounter, der das machte. Das muss man fairerweise sagen." Was sie Anton Schlecker vorhält, ist weniger die Insolvenz an sich. "Wir waren die Basis dieses Unternehmens", sagt Hoffmann. "Es ist ganz schlimm, dass er es nicht für nötig empfunden hat, den Betriebsrat und die Beschäftigten darüber zu informieren, wie es um die Firma steht."
Weit schlimmer – jedenfalls juristisch – wiegt freilich, wofür sich Schlecker vom 6. März an vor dem Landgericht Stuttgart verantworten muss: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vorsätzlichen Bankrott vor. Zudem soll er vor dem Zusammenbruch Millionen beiseite geschafft haben. Mitangeklagt sind seine Frau sowie der Sohn und die Tochter.
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Es geht um die Wahrheit, nicht um Rache
2006 hatte sich Anton Schlecker gerühmt, "Alleininhaber des größten Drogeriemarktunternehmens der Welt" zu sein. Am Ende des Prozesses könnte der 73-Jährige zu einer längeren Gefängnisstrafe verurteilt werden.
Was erwünscht sich die einstige Betriebsrätin Hoffmann von dem Prozess? Rache ist es nicht. "Ich hoffe, dass die ganze Wahrheit auf den Tisch kommt." Verdi-Sprecherin Völpel hat keine hohen Erwartungen. Für die "Schlecker-Frauen" sei kaum mit einer finanziellen Wiedergutmachung zu rechnen. "Die Beschäftigten stehen mal wieder als letztes Glied in der Kette, wenn es um Forderungen aus der Insolvenzmasse geht."