Ein Hauch von Tokio

Die Nadelöhr- Politik ist längst an ihre Grenze gestoßen - AZ-Kulturchef Volker Isfort über die ständigen S-Bahn-Störungen
von  Abendzeitung

Die Nadelöhr- Politik ist längst an ihre Grenze gestoßen - AZ-Kulturchef Volker Isfort über die ständigen S-Bahn-Störungen

Die schnellste Verbindung von Weßling zum Münchner Hauptbahnhof? Mit der S 5 zum Westkreuz, dort zur Bushaltestelle und im 57er zum Pasinger Bahnhof – dann mit dem ICE bis in die Innenstadt. So war es jedenfalls gestern morgen. Mal was anderes, aber nicht unbedingt zeiteffizient: Die Stadtrundfahrt wider Willen dauerte fast eine Stunde länger als die übliche S-Bahn-Fahrt.

Gestern mussten wieder zehntausende Pendler ihre morgendliche Lektion in Stoizismus üben, Grund war ein Betrunkener auf den Gleisen in Laim. Meist aber haben die Verspätungen noch profanere Ursachen: Laub im Herbst, Schnee im Winter. Dass ein Störfall auf der Stammstrecke verheerende Auswirkungen für fast das gesamte S-Bahn-Netz hat, ist so bekannt wie unvermeidlich.

Die Nadelöhr-Verkehrspolitik ist längst an ihre Belastungsgrenze gestoßen, Besserung aber ist in naher Zukunft nicht in Sicht. Lösungen wurden schon vor Jahrzehnten verschlafen. Es gibt noch nicht einmal eine konkrete Planung für die Entlastung. Das könnte sich rächen. Schließlich ist die künftige Weiterentwicklung des Großraums München ohne entsprechende Verkehrskonzeption gar nicht mehr möglich.

Entlang der S-Bahnen entsteht der Wohnraum, der in der engen und für viele unerschwinglichen Münchner Innenstadt fehlt. Der Druck auf das fragile Verkehrsnetz nimmt weiter zu. In den Stoßzeiten ist es schon fast Glücksache, ob es einem noch gelingt, sich in die heillos überfüllten Waggons zu quetschen. Aber vielleicht hält die Politik diesen „Hauch von Tokio“ ja für weltmännisch.

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