Dreist
Gilt „mehr Netto vom Brutto“ nur für die Arbeitgeber? - Annette Zoch, AZ-Redakteurin, über die Pläne zur Pflegeversicherungs-Reform.
Sicher: Der jährliche Beitrag zur Pflegeversicherung ist nicht die Welt. Unstrittig ist auch, dass die Finanzierung der Pflegeversicherung wegen des demografischen Wandels auf wackligen Beinen steht: Die Menschen werden immer älter, deshalb im Alter auch verstärkt pflegebedürftig – und es wird immer mehr alte Menschen geben, gleichzeitig aber weniger Junge, die das System finanzieren können.
Was an den Plänen der neuen schwarz-gelben Koalition ärgert, sind zwei Dinge: Erstens wird so schon wieder klammheimlich ein wichtiges Wahlversprechen einkassiert. „Mehr Netto vom Brutto“ war Westerwelles und Seehofers Lieblingsspruch vor der Wahl. Sollte das etwa nur für die Arbeitgeber gelten? Wie dreist ist es eigentlich, dem Arbeitnehmer per Steuersenkung ein paar Extra-Kröten in die eine Tasche zu stecken, um sie aus der anderen gleich wieder rauszuholen – in Form von höheren Krankenkassen- und Pflegebeiträgen? Die neue Koalition versucht das mit der so genannten Generationengerechtigkeit zu rechtfertigen. Aber warum ist das bei der Pflegeversicherung jetzt auf einmal wichtig? Die Zeche für die Steuersenkungen müssen ja auch die Jungen zahlen.
Und zweitens: Ist der Pflege damit geholfen, einfach nur sinnlos noch mehr Geld hineinzupumpen? Der Münchner Pflege-Kritiker Claus Fussek nennt das System nicht ohne Grund eine Mafia, in dem börsennotierte Unternehmen um immer höhere Renditen kämpfen. Müsste man nicht erst darüber nachdenken, wie man die Pflege alter Menschen verbessern kann? Und dann über das Geld?
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